Verwandlung einer Landschaft:
Kraftwerke
Seen
Verschwundene Orte




Wer auf Google Earth zum Dreiländereck bei Zittau fliegt,
wundert sich über zwei riesige weiße Flecken nordöstlich davon.



Es sind die Braunkohlentagebaugruben des Großkraftwerks Türchau, poln. Turów

Schloß Reibersdorf

Im 45 km² großen Tagebaugelände samt Abraum- und Aschenhalden sind die Dörfer Dornhennersdorf,
Friedersdorf, Gießmannsdorf, Reibersdorf, Seitendorf und Zittel



sowie ein paar Schlösser untergegangen, das Dorf Türchau fast ganz,
die Orte Kleinschönau, Reichenau, Wald und Weigsdorf wurden teilweise devastiert,
im Zittauer Ortsteil Drausendorf treten Gebäudeschäden auf,
der Tagebau rückt auf die Stadt vor.
Im Jahr 2000 beschäftigt Turów 6.000 Arbeiter,
sie haben bis in die Tiefe von 225 m geschürft,
2040 wird die Braunkohle bis auf 300 m abgebaut sein - etwa 60m unter dem Meeresspiegel.

Schon von weither sind in der gesamten Umgebung die riesigen Dampfwolken von
PGE Górnictwo i Energetyka Konwencjonalna S.A. Oddzial Elektrownia Turów
zu sehen und zu riechen.



Die Anwohner leiden unter starker Lärmbelästigung, seit Jahren klagen vor allem die Hirschfelder und Rosenthaler über den monotonen Krach, über Sirenengeheul oder zischende Dampfgeräusche aus dem Kraftwerk. Das polnische Energieunternehmen kündigt Investitionen in den Lärmschutz an, Geduld ist gefordert bis zum Flüster-Kraftwerk...
2012 besetzen 12 Greenpeace-Aktivisten einen Kühlturm in Türnau,



wegen zu starken Windes können sie ihr Banner „Kohle & Holz ist keine grüne Energie“ nicht entrollen. Greenpeace erklärt, jedes Jahr würden in den alten polnischen Kraftwerken mehrere Millionen Tonnen von Holz mit Kohle verbrannt werden. Die gleiche Menge an Biomasse würde in kleinen und neuen Kesseln doppelt so viel Energie bringen.



Kurz danach wird einer der sieben Türme mit 2000 Sprengladungen gesprengt. Drei Explosionen, dann neigt sich der Koloss majestätisch zur Seite, es geht alles sehr schnell, nach dem Zusammenfall verdeckt eine gewaltigen Staubhülle den Ort des Geschehens. Eine weitere Turmsprengung ist angekündigt.



1998 und 2012 kommt es in einem Kraftwerksblock zur Kohlenstaubexplosion,
2012 greift dabei der entstehende Brand auf zwei benachbarte Blöcke über.



Die drei betroffenen Blöcke bleiben abgeschaltet,
die vier weiteren Blöcke laufen - mit verminderter Leistung weiter.



Seinen Betrieb nimmt Türnau 1962 am


Witka-Stausee, poln. zbiornik wodny Niedów, auf.

Mit einer Leistung von 1900 Megawatt ist es das drittgrößte Kraftwerk Polens. (Den 1958 bis 1962 angelegten Stausee zerstört 2010 die Flut).
Im Januar 2011 gibt das plonische Unternehmen bekannt, es rüste seine drei Blöcke für 20 Millionen € auf eine hochmoderne Einheit mit einer Kraft von 460 Megawatt um. Dadurch werde sich in sechs Jahren die Umwelt deutlich verbessern, weil 20 Mal weniger Schwefeldioxid, zehnfach weniger Staub und fünfmal weniger Stickstoffoxid freigesetzt würden. Die Betreiber nähmen die Stimmen der Nachbarn ernst, wollten mit deutscher und tschechischer Seite zusammenarbeiten, um etwa angrenzende Städte mit Wärme zu versorgen.

Die Landschaft verwandelt sich in Mitteldeutschlands Braunkohlenbergbaurevieren, Bergbaualtlasten werden beseitigt, gemeinsame Anstrengungen der beteiligten Akteure führen zu beeindruckenden Ergebnissen. Flächenrekultivierung und Wiederherstellung des Wasserhaushalts gehen voran. Immer wieder zwingen aber auch neue Anforderungen und unvorhersehbare Ereignisse im Sanierungsprozess (Böschungsrutschungen, Grundbrüche u. ä.) zu neuer geotechnischer Bewertung und neuen Sanierungskonzeptionen oder -ergänzungen, mit denen große Herausforderungen an die Finanzierung einhergehen.
Überall finden wir qualitätsgerechte Bergbauseen, man arbeitet an der Gestaltung der Umgebung und der Gewährleistung öffentlicher Sicherheit, was wirtschaftliche Perspektiven in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft eröffnet.



In Hirschfelde beginnt der Tagebau Anfang 1900, die Sowjets übernehmen 1945 das Ganze und geben ihn 1947 an Polen ab, es arbeiten Franzosen, Belgier, Holländer, Griechen noch bis Anfang der 50er Jahre, ehemalige sogen. Fremdarbeiter aus der Kriegszeit, oder „displaced persons“.
Die Deutschen betreiben den Tagebau zur Versorgung des Kraftwerkes Hirschfelde weiter und verkippen die Asche auf polnisches Gebiet. Seit der Entlassung der deutschen Bergleute im Jahr 1947 kommt es wiederholt zu Kohlemangel in Hirschfelde durch unregelmäßige Lieferungen, deshalb wird der 1927 stillgelegten Tagebau Berzdorf und Olbersdorf wieder aufgenommen.
Infolge Lech Walesas Erfolg mit Solidarnosc und den damit einhergehenden revolutionären Ereignissen ab 1980 stellt Polen seine Kohlelieferungen an die DDR ein und verweigert die Abnahme der deutschen Asche.


Das Kraftwerk Hirschfelde

im gleichnamigen Zittauer Ortsteil gehört zum Oberlausitzer Bergbaurevier, das älteste sächsische Großkraftwerk erzeugt 1911 bis 1992 insgesamt Elektroenergie von 71 Millionen Megatwattstunden, 1961 allein 2.037.800 MWh und verbrennt 172 Millionen Tonnen Braunkohle.
Eine Maschine ist mit 413.499 Betriebsstunden von 1929 bis 1992 in Betrieb, ein Dampfkessel 410.252 Betriebsstunden. Hirschfelde beschäftigt etwa 5.000 Mitarbeiter aus vier Generationen, Felix Gulich als längster Betriebszugehöriger arbeitet im Kraftwerk von 1920 bis 1981 .



Unter dem Namen "Kraftwerk Friedensgrenze" verstromt die DDR bis 1982 Kohle aus Türchau und Reichenau. Als Polen die Lieferungen einstellt, verbrennt man Kohle aus ostdeutschen Lagerstätten (Tagebau Olbersdorf und Berzdorf), im drei Kilometer entfernten Wittgendorf entsteht eine Spülhalde, wohin das Kraftwerk die mit Wasser vermischte Asche pumpt, die dann in die Neiße fließt.


so heißt das Kraftwerk Hagenwerder, das die DDR im gleichnamigen Stadtteil von Görlitz betreibt. Es verfeuert Braunkohle aus dem Tagebau Berzdorfer Becken und erbringt 1500 MW. Da die Kohlevorräte begrenzt sind, wird die Anlage 1997 stillgelegt und samt dem 250 Meter hohen Kamin abgerissen.







"Ab in den Berzdorfer See!" lautet im Juni 2011 die Schlagzeile der örtlichen Zeitung...
Etwa 1.000 ha groß, also halb so groß wie der Berliner Wannsee, und 70m tief ist er, die Wellen eines der größten Sees in Sachsen plätschern an der südlichen Stadtgrenze von Görlitz im bis Anfang 2013 gefluteten Restloch des Braunkohletagebaus Berzdorf. Der Berzdorfer See bildet den südöstlichen Eckpunkt des Lausitzer Seenlandes, auch Segler tummeln sich dort und eine Blaue Lagune gibt es auch.











Um 1835 beginnt hier der Abbau von Braunkohle in Schächten untertage, ab 1919 im Tagebau, der 1927 geflutet und 1946 auf Fördermengen von 7 Millionen Tonnen Braunkohle pro Jahr reaktiviert wird und 7.000 Menschen Arbeitsplätze schafft. 1997 wird die Kohleförderung, an die der Förderturm am Ufer des Sees erinnert, eingestellt.



Seit 2002 gestaltet die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft ihre ehemalige Grube in ein Naherholungsgebiet um. Sie flutet den Tagebau mit Wasser aus Pließnitz und Neiße (ein Kilometer Überleitung durch zwei 1,60 Meter dicke Rohre).



Am See läuft ein 18 Kilometer langer Uferweg entlang, auf der Neuberzdorfer Höhe steht ein Aussichtsturm, ein weiterer Golfplatz, Badestrand am nördlichen Ufer und Campingplatz sind geplant.





Auf der Bundessstraße 99, direkt an der Deutsch-polnischen Grenze führen zwei seltsame Brücken über die Neiße, über sie läuft der Austausch von Kohle und Asche. Sie gehören zum


Museum Krafwerk Hirschfelde

Das Technische Denkmal und Museum ist der verbliebene aber stattliche Rest des ältesten sächsischen Großkraftwerkes, sein zentrales Thema sind Technik und Architektur.



Neben einzigartiger Industriearchitektur und Kraftwerkstechnik präsentiert das Museum einen Überblick über den Elektroenergie-Maschinenbau. Für seinen Erhalt sorgt der Förderverein e. V. „Technisches Denkmal & Museum Kraftwerk Hirschfelde“, in dem sich vorwiegend ehemalige Mitarbeiter des Kraftwerks engagieren. Vattenfall Europe hat eine Stiftungsinitiative ins Leben gerufen.



Polnischer und deutscher Grenzposten 1958 an der Staatsgrenze zwischen den beiden sozialistischen Republiken, bis 1980 liefert Polen Braunkohle an die DDR.



















Aus einem Zeitungsbericht 2012:
In Turów wächst ein Riese heran
45 Meter hoch wird der neue Schaufelradbagger in der Grube Turów. Unterdessen frisst sich die Grube immer tiefer in die Erde: An einer Stelle liegt sie schon unter dem Meeresspiegel.
Arbeiter haben dort begonnen, einen riesigen Bagger zu montieren. Das geschieht möglichst nah am späteren Einsatzort in oder an der Grube. Dort entsteht der Universalbagger KWK 1500.
...
Die Gesamthöhe des Baggers wird mehr als 45 Meter betragen. Das Fassungsvermögen einer Schaufel beträgt 1500 Liter. Zwölf Schaufeln hat das neun Meter im Durchmesser große Schaufelrad. Bis zu 4300 Kubikmeter Kohle oder Abraum können pro Stunde damit gefördert beziehungsweise abgebaggert werden. Mit maximal sechs Metern pro Minute kann sich der Bagger auf Gleisketten durch ein Braunkohleflöz fressen.






Wenn man beim Freibad Hagenwerder über die Neiße nach Polen fährt, liegt unmittelbar rechterhand ein schönes Schloss mit interessanter Geschichte , aber das ist ein anderes Fundstück ...