Ein Zweig der preußischen Adelsfamilie Lynar lässt sich in Lübbenau im Spreewald nieder. Deren jüngerer Zweig wiederum kauft 1793 die Herrschaft Drehna mit Schloss Drehna, die Stadt Vetschau mit Schloss im Spreewald, die böhmische Herrschaft Brandeis. 1806 wird die Linie in den österreichischen Fürstenstand erhoben, weshalb Graf Moritz von Lynar, nunmehr Fürst, 1807 Ort und Schloss in 'Fürstlich Drehna' umbenennt. 1819 wirkt der berühmte Peter Joseph Lenné, preußischer Gartenkünstler und Landschaftsarchitekt des deutschen Klassizismus, an der Gestaltung des Schlossparks mit.
Fürstlich Drehna (1950–1990 nur Drehna) ist ein Ortsteil der Stadt Luckau im Landkreis Dahme-Spreewald südlich von Berlin in der Nähe der BAB-Ausfahrt Calau an der A 13 von Berlin nach Dresden.



Fürstlich Drehna


Herrschaft in der Niederlausitz
Dorf Presenchen
Jugendwerkhof
Braunkohletagebau
Honeymoon-Schloss-Hotel
Exemplarischer Leitbildkonflikt







Worauf der Vater spekulierte, wird wahr:
1888 adelt (vererblich) Kaiser Friedrich III. den Bürger Carl Wätjen aus Bremen, Besitzer des Wasserschlosses in Fürstlich Drehna, das ihm Vater

Christian Heinrich Wätjen,

schwerreicher Werftinhaber, Teilhaber an der weltgrößten privaten Segelschiffreederei, Mitbegründer des Germanischen Lloyds und hochangesehener Bürger der Hansestadt, schenkte. Durch die Nobilitierung hat Familie Wätje nun, wie gewünscht, Zugang zu der oberen Klasse.
Die Reederei D. H. Wätjen & Co. fährt hohe Gewinne ein mit Walfang, Tabakimport aus den Südstaaten der USA, Kuba und Kolumbien. Bremerhaven überflügelt Le Havre als Auswandererhafen. Zweimal im Jahr verlässt das mit 1360 BRT größte aller bremischen Schiffe, die D. H. Wätjen I. mit bis zu 500 Passagieren Bremerhaven und kehrt voll beladen mit Tabak- und Baumwollballen aus Amerika zurück.

Die Schiffe mit der Flagge "Weißes W auf blauem Feld" durchsegeln alle bekannten Gewässer, bringen Kaffee, Rohzucker, Sirup, Arrak, Rum, Portwein, Blauholz, Indigo, Zimt, Weizen, Häute, Edelhölzer, Schnittholz, Harze, Terpentin, Beef, Schmalz, Speck, Ölkuchen, Walöl, Chilesalpeter, Guano und Petroleum nach Europa, speziell nach Bremen, teilweise für eigene Rechnung, aber auch in Charter für Fremdfirmen. In 170 Häfen rund um den Erdball sitzen Vertreter der Reederei, die stets für lohnende Hin- und Rückfrachten sorgen.


Familie Wätjen1885
Mitte vorn mit Hut: Christian Heinrich Wätjen; rechts außen sitzend: Carl Wätjen

1877 hat Vater Christian Heinrich Wätjen das Anwesen (Schlossgebiet Drehna, Rittergut Gollmitz, Vorwerke Babben, Stiebsdorf und Tugam sowie Pachtvorwerk Presenchen, immerhin 4.508 ha groß) gekauft und 1887 auf Sohn Carl Wätjen, verheiratet seit 1884, übertragen. Er lässt ein Familiengrab im Park anlegen. Carls erste Frau stirbt 1899, er heiratet 1900 Fanny von Löbenstein, Tochter des Rittergutbesitzers Robert von Löbenstein (Herr auf Schloß Sallgast) und stirbt selbst 1928. Die Witwe heiratet 1929 Rittmeister Robert Wallenberg-Pachaly auf Illwisch.
Mit solchen Leuten machen Russen und DDR kurzen Prozess.
Am 20. April 1945 plündern sowjetische Soldaten das Schloss, die Witwe und der Rittmeister fliehen, er wird erschossen. Sie kehrt zurück, darf nicht mehr im Schloss wohnen, flieht erneut, diesmal nach Bremen, 1946 enteignet die DDR die Besitzer.
1948 entgeht die Anlage knapp dem Abriss, wird FDGB-Schule, Berufsschule für Forstwirtschaft, Jugendwerkhof (Spezialheim für schwer erziehbare Jugendliche), mehr als die Hälfte des Schlossparks fällt dem Braunkohletagebau zum Opfer. 1983 gründen 12 Bürger das 'Parkaktiv' und bewahren den Rest. Seit 1986 steht das Schloss leer und unter Denkmalschutz. 1995 saniert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz Schloss und umliegende Gebäude.

Seit 2007 betreibt die travdo Hotels & Resorts GmbH im Wasserschloss ein stilvolles Hotel. Paare können sich in der schosseigenen Kapelle von 1500 (Carl von Wätjen gestaltete sie in eine Waffenhalle um!) trauen lassen und romantische Hochzeiten mit ihren Gästen feiern oder - Sie lieben Ruhe? Dann auf zum Fürstlichen Kurzurlaub und noch Vieles mehr!



























In der Weite der märkischen Landschaft lag, vergessen, das kleine Dorf Presenchen - es gehörte zur Herrschaft Drehna.
Kohlebagger greifen unbarmherzig nach den letzten Mauerresten, Presenchen existiert nicht mehr. Der Braunkohlebergbau zerstört Presenchen, wie viele andere Orte auch.
Elli Noack aber ist überzeugt, Presenchen lebt! Sie lässt die Grabsteine ihres vom Tagebau geschluckten märkischen Dorfes heimlich in den Garten des neuen Heimatortes - Drehna - bringen. Um die Geschichte Presenchens vor dem Vergessen zu retten, verteidigt sie ihren selbst geschaffenen Friedhof mit liebenswürdigem Starrsinn gegen die kleingeistigen Behörden, organisiert geheime Treffen der Alt-Presenchener, unterstützt den Widerstand gegen den Tagebau. Denn richtig angekommen sind sie nie, die Alten. Sehnsucht nach der verschwundenen Heimat treibt sie um.
Als die Wende kommt, wird der Tagebau geschlossen, die Dorfbewohner sehen sich vor neuen Herausforderungen. Wieder holt sie die eigene Vergangenheit ein, sei es durch den Juden Buchsstein oder einen "Republikflüchtling", Tochter Elli Noacks. Wieder bleibt erhoffte Gerechtigkeit aus und es entsteht eine neue Art Heimatlosigkeit der Jungen. In zwei wunderbar poetischen Büchern markiert Andreas H. Apelt, geb. 1958, auf einfühlsame wie dramatische Weise in diesem Mikrokosmos Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Der Leser findet sich mitten zwischen Anpassern und Schweigern wieder, zwischen heimlichen Gegnern, liebenswürdig Starrsinnigen - und immer im Banne ihrer Konflikte und Freuden. Apelts Sprache ist die der einfachen Leute, einfühlsam, im Ton, zuweilen elegisch, seine knorrigen Figuren erheben mit Mut und Witz Einspruch dagegen, dass sie Geschichte mal genommen, mal zugewiesen bekommen, Menschen, nicht zu Helden geboren, ein ganz eigener Menschenschlag in einer geschundenen Landschaft:
Lebendig große Geschichte am Alltag der kleinen Leute, immerwährender Konflikt zwischen Fortschritt und Bewahrung, Umgang mit den Toten.
Auch die frühe Geschichte des gottverlassenen Presenchen erzählt Apelt, berichtet von seinen Bewohnern, vom Juden Buchsstein und vom Reichspostbeamten Körner, der lange im Braunhemd herumstolziert, nach 1945 aber bald den Russen als Bürgermeister zu Hand geht. Vertriebene treffen im Dorf ein, Körner nennt sie beharrlich "Umsiedler". Andere verlassen Presenchen noch rechtzeitig vor dem Mauerbau. Die Menschen ducken sich unter den alten, fügen sich widerwillig den neuen Herren. Apelt beschreibt die menschlichen Schwächen, aber auch den Stolz der Leute, lässt sie anecken, ein gnadenloses Urteil empfangen ...



Exemplarisch für unzählige Gemeinden der ehemaligen DDR ist der ausbrechende Konflikt nach der Wende, wo widerstreitende Interessen mit in Vorwendezeiten unvorstellbarer Härte aufeinander prallen.

Der Leitbildkonflikt:
Stellvertretend am Landschaftspark, standesherrschaftlicher Besitz im Ortszentrum, handeln und kämpfen die Streitparteien die Zukunft ihres Ortes aus. Die traditionellen gutsherrlichen Strukturen sind verschwunden, eine erfolgreiche Schar von Motocross-Enthusiasten gibt seit dem Krieg dem Ort neues Gepräge, mit Ende der DDR und Einstellung des Tagebaus im Niederlausitzer Kohlerevier ist die Zukunft urplötzlich völlig offen.

Der DDR fehlt der kulturelle Kontext für die adäquate Nutzung des Gesamtensembles, sie nutzt das Schloss unterschiedlich, zuletzt als Jugendwerkhof, trennt damit den Kern der Anlage vom Park ab. Andere Nutzungen dringen vor: Motorsportler tragen ihre erste Veranstaltung nach dem Krieg im Rahmen eines Volksfestes im Park aus, Anwohner fleddern den Park, versorgen sich mit Brennholz, Weihnachtsbäumen und Gartenpflanzen, befahren die Fußwege mit Pkw und Motarrad ...
Die Streithähne: Zwei Vereine
Der Heimatverein, hervorgegangen aus dem 'Parkaktiv' zur Rettung des Parks am Schloss, dieses doppelt beroht: soziokulturelle Entwertung und Braunkohletagebau; er beschleunigt massiv den Abwärtstrend, die Hälfte der Parkfläche fällt ihm zum Opfer, das achtköpfige Parkaktiv setzt sich für den Erhalt der Reste der Anlage ein, sucht Verbündete auf politischer und industrieller Ebene. Obwohl zentrale Akteure selbst in der Kohle arbeiten, nimmt die Auseinandersetzung dennoch nie Züge einer System-auseinandersetzung an.
Auf Seiten des Heimatvereins stehen Berliner Planungsbüros. Sie heben die gute Situation heraus, wie: verkehrsgünstige Lage an der Autobahn, unweit Berlins und Dresdens, Dorfensemble, Schloss, Park als Ausflugsziele ...

Auf der Gegenseite: Der Motorsportclub Fürstlich Drehna.
35 Mitglieder, 15 aktive Fahrer aus der ganzen Niederlausitz, vielfache DDR-Meister stammen aus dem Verein.
In den 50er Jahren ist der Motorsport attraktiv, zieht ein breites Publikum an, man errichtet am Dorfrand eine Rennstrecke, die das Erscheinungsbild von Fürstlich Drehna maßgeblich prägt, den Blick auf Dorf und Schloss verstellt, jährlich finden Rennen statt.
Ab 1990 richtet der Club internationale Rennen aus. Die WM wird familientaugliches Ereignis, Volksfest mit Riesenrad, Heißluft-ballonfahrten...






Konflikt in den Zielen:
Der Heimatverein sieht das intakte gesamtstädtebauliche Ensemble im Renaissanceflair als touristische Bilderbruchkarriere, unverträglich mit dem lauten und staubigen Motorsport.
Der Motorsportclub, die deutliche Prägung des Ortes durch seinen Sport vor Augen, verweist auf die von vielen Bürgern geteilte Lebenskultur, die regionale und überregionale Aufmerksamkeit für den Ort durch die Rennen.
Die Bürgermeister gehören entweder dem einen oder dem anderen Lager an, der Konflikt polarisiert sich in den 90er Jahren, verliert dann aber seinen unversöhnlichen Charakter:
- Der Motocrossclub erwirbt 13,5 ha Kippenfläche als Trainingsparcour weit vom Ort, beschränkt sich auf zwei größere Veranstaltungen pro Jahr
- Das Planungsbüro wird nicht mehr weiter beschäftigt
- Der Heimatverein ist durch Reprivatisierung des Schlosses marginalisiert

Ergebnis:
- Hohe Selbstorganisation der Anwohner
- Bessere soziokulturelle Situation als in anderen Orten, die mit vergleichs-weise sanften Diskursen die Zukunft erörtertern und gestalten
- Sichere Anlage der Mittel aus der Braunkohlesanierung
- Zuverlässige Trägerschaft für Investitionen





Rückblick: Tagebau
20 Jahre Später: Tagebau


1966 gehen im Kraftwerk Lübbenau die Öfen aus, die Tag für Tag 37 Jahre lang Braunkohle fraßen, im Tagebau aus der Umgebung gewonnen, Tod eines Stromgiganten ...
Rund 400 Mill. Tonnen Braunkohle haben die Kraftwerker in all den Jahren hindurch gejagt ...
Dicke weiße Dampfwolken schwebten über der Spreewaldstadt. 140 Meter hohe Riesen speiten unentwegt Dreck in die Luft. Die SED-Genossen sind stolz, mit Lübbenau Europas größtes Dampf-kraftwerk zu besitzen, das jährlich 9 Milliarden KW-stunden (Berlin verbraucht gut 13) Strom erzeugt. 5.000 Arbeitsplätze.
Nie im Leben hätten die Arbeiter daran gedacht, dass sie einmal arbeitslos würden. Nach der Wende rüstet man neue Elektrofilter für etliche Mill. Mark nach, um den Dreck einzudämmen.
Soll die ostdeutsche Energieindustrie nun platt gemacht werden?
Das Kraftwerk sei zu unwirtschaftlich, Sanierung zu teuer, Strom werde nicht mehr gebraucht, Großabnehmer wie Chemiebetriebe in Leuna, Buna, Bitterfeld gebe es nicht mehr, jede größere Stadt habe mittlerweile ein eigenes Kraftwerk.
Die Leitung verweist auf Abfindungen (bis zu 100.000 Mark), Vorruhestandsregelungen, Umschulungen und Arbeitsplatzangebote neuer Firmen.
Bis 2010 sind alle Schornsteine und Hauptgebäude gesprengt.







20 Jahre später, Fortsetzung folgt: Wattenfall 2014





Und in Fürstlich Drena geht das Leben weiter ...















Und Ardo Brückner kennt dort jeden Weg,
jeden Baum und den schönsten Ausblick