Christians Mini-Kosmos












Pferde-Variationen u. a.: Der Bildhauer Jürgen Goertz




"Hach Ansbach!"
Pferd kotzt auf Lehrter Bahnhof
Mehdorn im Sattel von Druck zu Bahn


Wer die Bachwoche in Ansbach besucht, passiert mit Sicherheit 2 Skulpturen des Sculptors Jürgen Goertz: Seinen Ans-Cavallo und seinen Ans-Bach.
Gegen beide rebellieren Banausen, eine Stadträtin will gar die Verlegung.
Und in Berlin neiden einheimische Künstler dem Sculptor den Auftrag Mehdorns für einen kotzenden Gaul vor dem Hauptbahnhof.



Ein bevorzugtes Thema meiner künstlerischen Auseinandersetzung ist die stets variierende Definition von Pferden, angefangen vom Musengaul vor dem Staatstheater Karlsruhe, Anscavallo vor dem Barockschloß in Ansbach über den Turm der grauen Pferde in Bietigheim-Bissingen bis hin zum S-Printing horse vor der Print Media Academy in Heidelberg...

... Kunst vielleicht als Rest von Religion. Religion als Suche nach Wahrheit verstehen wollen und Wahrheit in der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Realität wiederzufinden glauben.
Zwischen den Zeilen steckt anspruchsvoll, vexierbildhaft Geschichte, Einsteinfurcht2 - Castelligeständnis3 - Zeitgeist und meine Künstlernatur, die es mir ermöglicht, aus meiner Erfahrung ein großes Tor der lebenslänglichen Binsenweisheit zu bauen. ...Sie, die Zugpferde der geprüften Demokratie und des toleranten Pluralismus, sind metallisch, kalt und golden warm zugleich. Sie sind weder Pferd noch Fleisch - Skulptur und Architektur in einem - ein Riesenmonument der stillen Mahnung, ein geistreiches Spielzeug der lauten Lust am Aufbau einer humanen Welt.





Jürgen Goertz, geboren 1939 (nicht zu verwechseln mit Claus Görtz ), wächst in Küsten/Wendland auf und studiert nach dem Abitur am Gymnasium Lüchow in Karlsruhe Bildhauerei. Die erste Werksausstellung findet 1974 statt. Goertz lebt in Angelbachtal-Eichtersheim, dort sind im Schlosspark und auf dem Friedrich-Hecker-Platz mehr als zehn seiner Skulpturen aufgestellt; das Atelier des Bildhauers befindet sich in der Schlosskirche.

Wer die Arbeiten von Jürgen Goertz sehen will, muss weite Wege auf sich nehmen.
Ansbach, Berlin, Bietigheim-Bissingen, Bremen, Heidelberg, Karlsruhe, Yokohama - in all diesen Städten und in noch einigen mehr treffen wir seine Kunst auf öffentlichen Plätzen.
Pferde, Gesichter und abstrakte Körper, diese Elemente tauchen immer wieder auf, versprühen Ironie und einen Hauch von Unheimlichkeit in Eisen, Bronze, Gestein, Kunststoff oder Schrottresten.
Eine Kunstsprache, die ihre Aktualität aus unvereinbaren Gegensätzen bezieht, Reaktion auf eine Gesellschaft, die ständig im Widerspruch mit sich selbst ist, die auf Demokratie und unterschiedlichste Meinungen baut.
Goertz selbst geht mit der Ablehnung gelassen um, vertraut seinem künstlerischen Gespür, auch wenn er einen Großteil der Zuschauer mit Ratlosigkeit und Staunen zurück lässt, noch immer Charakteristikum großartiger Kunst.







1975: Musengaul am Badischen Staatstheater Karlsruhe

Ursprünglich für den Innenraum des Theaters als „Trojanisches Pferd” geschaffen, 1981 vom Land für 230.000 DM gekauft und als Dauerleihgabe und „Musengaul” aufgestellt.
Für das dreibeinige Geschöpf fallen Worte wie „Missgeburt” und „verformter Blechhaufen”.







1978: Plastik Notburgakirche1, Hochhausen
Kuriose Geschichte: 1977 wird die hölzerne Kreuzigungsgruppe aus der Kirche gestohlen. Mit der Versicherungssumme von 50.000 DM schafft die Kirchengemeinde die Plastik von Goertz am ursprünglichen Platz der Kreuzigungsgruppe neben dem Chorbogen an.
2003 werden die gestohlenen Holzfiguren beschlagnahmt, nach Rückzahlung der Versicherungssumme befinden sie sich wieder im Gemeindeeigentum.













1980 und 1984: Das Rastätter Rätsel
Die erste Skulptur (1980) und befindet sich auf dem Bahnhofsvorplatz in Rastatt: Zwei sich eng anschmiegende Personen unter einem Regenschirm, der als Brunnen fungiert. Identität und genaue Beziehung zueinander bleiben offen, da die Köpfe der Personen nicht zu sehen sind, erkennbar nur ein älterer Herr und eine größere Frauengestalt.
1984 Rätselauflösung: Goertz schafft einen zweiten Brunnen am Museumstor, der Regenschirm ist abgenommen und dient abermals als Brunnen. Neben dem Brunnen steht die gleiche Skulptur wie vor dem Bahnhofsvorplatz, diesmal mit den Köpfen der Personen: Hommage an Picasso, der mit Palette und Pinsel die Frauenfigur umarmt.

Auf der Rückseite der Skulptur neue Rätsel:
zahnradartige Versteinerungen und ein Stierschädel mit entstelltem Frauengesicht - sicher ebenfalls Erinnerung an den Stierkampf- und Frauen-Fan Pablo ...













1987: Ku(h)riosum Bietigheim-Bissingen, Kronenplatz

Der Bildhauer verwandelt das zentrale Denkmal, das in seinen Proportionen und seiner Funktion als beherrschendes Zentrum an historische Platzanlagen mit dominierendem zentralen Denkmal erinnert, erfrischend respektlos:
Statt eines klassischen Denkmalsockels verwendet er eine überdimensionierte Milchkanne und statt einer pathetischen Standfigur oder eines berittenen Feldherren balanciert oben ein Mischwesen, lebendige Kreatur und Maschine zugleich. Realistische Details wie etwa der Schwanz oder das provokativ hochgeschwungene Euter sind mit gänzlich technoiden Elementen kombiniert.
So ist der eigentliche Körper der Kuh aus einzelnen Schichten zusammengesetzt, die wie ausgestanzt wirken. Als Gelenke der Beine dienen mächtige Scharniere. Diesen Einzelelementen heterogener Herkunft entspricht eine kühne Kombination unterschiedlichster Materialien. Neben der – durch die Tradition als klassischer Werkstoff der figürlichen Plastik sanktionierten – Bronze finden Chromstahl und Chrom Verwendung. Die Oberflächen dieser Werkstoffe werden zusätzlich noch unterschiedlich bearbeitet. Die großen hyperrealistischen Augen aus Kunstharz, die vergoldeten Hörner und der farbige Stabkranz, in dem die Kuh steht, setzen weitere Akzente. Goertz weist auf die Fehlentwicklungen im Verhältnis Mensch zu Mitgeschöpf, das uns heute nur noch als beliebig verfügbarer und manipulierbarer Rohstoff oder Lebensmittellieferant dient.

















1993: Turm der grauen Pferde Bietigheim-Bissingen, Hillerplatz

Das untere Ende der Hauptstraße Bietigheim-Bissingen prägt das Kuh-riosum, die obere Altstadt der Pferdeturm. Zwei wichtige stadtplanerische Aufgaben sind erfüllt: Fluchtpunkt und Abschluss der oberen Hauptstraße und Verbindung eher heterogener Bauten um den Platz zu einem geschlossenen Ensemble.
Das großflächig geschliffene, zum Teil auch polierte, vergoldete oder mit schwarzer Farbe behandelte Aluminium, realistische Partien mit abgegossenen Fundstücken und abstrakt-geometrischen Elementen kombiniert, und eine Vielzahl plastischer Details stellen die unterschiedlichsten inhaltlichen Bezüge her:
Die vier im Turm übereinandergestellten und in der Größe jeweils halbierten Pferde spielen auf den Bietigheimer Pferdemarkt, das große Volksfest und traditionellen Höhepunkt des Jahreslaufs an. Die übereinandergesetzten Rundbogenarkaden sind Hommage an Karl von Etzel (grandioses Eisenbahnviadukt über die Enz von 1853), an Franz Marc (sein Turm der blauen Pferde von 1913 ist verschollen) und Paul Klee (Aufstand des Viadukts von 1937).





Die großen Reliefmedaillons an den Flanken der Pferde zeigen weibliche Porträts, eine Afrikanerin, Europäerin, Hopi-Indianerin und Asiatin.

Die kleinen Reliefmedaillons auf der Brustpartie der Pferde, Abgüsse fossiler Knochen, spielen auf die Frühgeschichte der Menschheit an.

Die Villa Visconti schließt den Platz nach Süden hin ab, ein ungewöhnlicher Bau mit Klinkerfassade und Skulpturenschmuck, der als postmodernes Gesamtkunstwerk an die Renaissance erinnert.
Auffälliges Merkmal sind die von Goertz geschaffenen zahllosen Medaillons mit Porträts, u. a. das der namengebenden Mailänder Herzogstochter Antonia Visconti4.











1993: Anscavallo Ansbach, Schlossplatz

Damals Goertz' größtes Pferd, heute gegen die späteren, etwa vor dem Berliner Hauptbahnhof, winzig.
Gesattelt, aber ohne aristokratischen Reiter, vor dem Barockschloss der Markgrafen, für jedermann zu besteigen, der kompetent und gewillt ist, verantwortungsvolle Position einzunehmen - ein wenig Steckenpferd, das Spielzeugdokument und -monument des geheimnisvollen Kaspar Hauser, eine Reminiszenz an die Reitpferde der blauen Ulanen in der Garnisonstadt Ansbach, eigentlich obligatorisches Denkmal der Machtdemonstration am privilegierten Standort - heutzutage lustvolle Großplastik voller Anspielungen auf gesellschaftliche und künstlerische Freiheiten.



Ans-Cavallo: Synonym für disziplinierte Selbstverwaltung, kritisches Selbstbewusstsein, statische Besonnenheit und dynamischen Vorwärtsdrang. Das Metallross scheut keine formale Einmischung in seine elementare Naturgestalt. Es erlaubt sich somit die Extravaganz eines einzigen gedrechselten Vorderfußes, einer stolzgeschwellten eiförmigen Brust, eines dreiäugigen Pferdekopfes mit gestauchtem Schwanenhals und zahnradgespickter Pferdemähne. Also technische Versatzstücke, integriert im verkopften Frontalbereich!



Die asketische Pferdebauch- und Rückenpartie verbietet jeden Gedanken an Schlachtpferd – oder vielleicht auch nicht? Das Hinterteil bedient sich jedenfalls eines barockprofilierten Doppelstandbeins, eines geometrisch drallen Pferdehinterns, eines wilden, zerzausten Pferdeschwanzes aus gegossenen Rebholzhaaren. Darunter steckt ungeniert der organisch konstruierte Ausgang für die Pferdeapfelproduktion, die unten vergoldet keine Umwelt verschmutzen.

Voran also die Technik – hintendrein die Natur. Auf zwei voneinander getrennten Basiselementen aufgesockelt, gibt die massige Großskulptur durch seine bewegten Umrisslinien, seine Durchbrüche und Zwischenräume den Blick wirkungsvoll auf die imposante Architekturlandschaft der Südfront des Schlosses frei.
Aus all seinen Fenstern der Vogelperspektive gesehen bleibt Anscavallo ein heimliches Spielzeug, aus der Froschperspektive dagegen, vom Schlossplatz aus betrachtet, ein markantes identitätsstiftendes Stadtzeichen für einheimische Bürger und auswärtige Besucher.
Nach seiner Aufstellung tobt der Leserbrief-Krieg der Spießer.





Weitere Plastiken des Küntlers auf dem Schlossplatz:
Zwei Wartehäuschen mit Flugente auf dem Dach, sowie ein Brunnen namens Ans-Bachchantin, eine Amazonin beim Weingenuss sowie darum herum verschiedene Räder als Symbol für den regen Verkehr.



Ans-Cavallo wird Initiativzündung der "Ansbacher Skulpturenmeile", die moderne Kunst im öffentlichen Raum zeigt, im Zusammenspiel mit historischen Gebäuden, Plätzen und vor modernen Fassaden. Sommer bis Herbst zieren rund 15 Kunstwerke die Ansbacher Innenstadt und sorgen für Diskussion.
Den Anfang macht 2003 anlässlich des zehnjährigen Jubiläums Anscavallos eine Ausstellung mit Skulpturen von - Jürgen Goertz!









Zu Beginn der Bachwoche 2003 enthüllt der Ansbacher Oberbürgermeister Goertz' Ans-Bach-Säule. Das Kunstwerk aus Aluminum für 60.000 € finanzieren Sponsoren.
Nach über 50 Jahren Bachwoche sei es längst Zeit für ein Bach-Denkmal, die Intendantin zeigt sich begeistert: Jetzt ist Bach für alle sichtbar und in Ansbach verwurzelt. Der Martin-Luther-Platz sei der richtige Standort, weil Bach auf Luther ruhe.



2003: Ans-Bach Ansbach, Martin-Luther-Platz

Eine Säule, ähnlich einem Kerzenleuchter, auf dem ein überdimensioniertes Kapitell ruht. Neben einem Halbreliefporträt Bachs der Violinschlüssel mit der Unterschrift Königliches Thema sowie den Noten B-A-C-H, schließlich das viergeteilte Porträt Bachs.





In der Notenzeile, zu finden in Bachs "Kunst der Fuge", ein kapitaler Fehler des Künstlers (so ein Kritiker) oder Ironie auf Ansbach? Die Noten auf dem Kapitell rufen den Bewohnern des verschlafenen Beamtenstädtchens ein verschämtes HACH Ansbach! (anstelle von BACH) zu









2000 und 2007 im Gefolge von Hartmut Mehdorn zwei Großplastiken:



S-Printing Horse Vorplatz der Print Media Academy, Heidelberg





Rolling Horse Europaplatz, Berlin


Auf dem Vorplatz des gläsernen Kommunikations- und Wissenszentrums Print Media Academy am Hauptbahnhof Heidelberg der Heidelberger Druckmaschinen AG, deren Vorstandsvorsitzender im Jahr 2000 Mehdorn ist, steht die größte Pferdeskulptur der Welt S-Printing Horse. Das im Wortspiel 'Renn-/Druckpferd' genannte Werk aus Edelstahl und Aluminium ist 13 m hoch, 15 m lang, 4 m breit und wiegt 90 t. Zwei Jahre lang arbeitet Goertz von der ersten künstlerischen Idee bis zur Fertigstellung an der Großplastik, einer Mischung aus geometrischen und organoiden Grundformen. Goertz spielt hier unter anderem mit dem Motiv der Rotation, das sich in Lochelementen im Körper des Werkes findet, ähnlich den Lagern der Zylinder in Druckmaschinen. Das schwere Material und die Solidität des Pferdes assoziiert Vorgänge des Druckens, aber auch die Herstellung der Maschinen selbst.

S-Printing Horse gelangt durch verschiedene Bearbeitungsverfahren (gegossen, geschliffen, poliert und teilweise vergoldet, teilweise mit Metallic-Glimmerlack gespritzt) zur endgültigen Gestalt. Der Lohnfertiger Kinkele in Ochsenfurt stellt sie her, bringt sie mit sechs Schwertransporten nach Heidelberg.
Die nachts leuchtenden Augen des Pferdes stehen für das Scannen der Vorlagen (Druckvorstufe); der runde Körper symbolisiert den rotativen Druckprozess, den der Kopf des Druckers überwacht; der Schwanz des Pferdes ist ein stilisiertes Buch, das für die Weiterverarbeitungsprozesse steht. Die drei Prozesse werden in den drei Beinen des Pferdes versinnbildlicht, die mehrere Abdrücke auf dem Platz hinterlassen, in die Goertz reliefartig Fossilien einarbeitet, Bezug zur Schwäbischen Alb und ihren Fossilien-Fundstätten. S-Printing Horse hat angedeutete Flügel, die ihm Galopp bei großen Geschwindigkeiten erlauben (Anspruch der Heidelberger Druckmaschinen AG, sehr schnelle Druckmaschinen zu bauen).











Auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs Berlin - Vorstandsvorsitzender der Bahn AG. im Jahr 2007 ist Mehdorn - steht die die Pferdeskulptur Rolling Horse.





Die Skulptur auf der nördlichen Terrasse des Berliner Hauptbahnhofs besteht aus Edelstahl, Aluminium, Kunststoff, Glas und Stein, ist 9,70 m hoch, 8,70 m breit und wiegt 35 t.
Eine Pferdegestalt ordnet sich kreisförmig krümmend einem Radsegment zu, im Sockel verarbeitet Goertz architektonische Versatzstücke des alten Lehrter Bahnhofs (diesen Namen wollten viele Berliner wieder haben - statt 'Hauptbahnhof'), die der Betrachter durch vier Bullaugen betrachten kann.
Heftige öffentliche Kritik kommt vom Berufsverband Bildender Künstler Berlin: Das Werk sei provinziell und ähnele zu stark der Skulptur S-Printing Horse.

Ein Berliner bloggt:
Meine Güte, der Mehdorn hat aber auch ein fiesen Geschmack, jedenfalls was Kunst angeht. Stellt er doch auf die nördliche Terrasse des Hauptbahnhofes die Skulptur „Rolling Horse“ von Jürgen Goertz auf. Beim Anblick wünsche ich mir, dass es sich gleich aus der Verankerung löst, aufs edle Granit knallt, knirschend erst über die Tische des Bierlokals rollt, um dann die Treppen hinunter eiernd, sekundenschnell im Humboldthafen zu versinken. Ja, schön wäre es! Es sei von kaum zu überbietender Provinzialität, gar eine “Misshandlung des öffentlichen Raumes” so Herbert Mondry vom Berufsverband Bildender Künstler Berlins (BBK). Die Plastik am Hauptbahnhof „wirkt auf jeden kulturell Interessierten wie ein Schlag ins Gesicht” tönte der Vorsitzende. Da kann man nicht widersprechen! Die Presse-Erklärung der Bahn: „Die Skulptur in Gestalt eines sich kreisförmig krümmenden Pferdes, das sich organisch mit einem Eisenbahnrad verbindet, besteht aus Edelstahl, Aluminium, Kunststoff, Glas und Stein. Das Monument symbolisiert kraftvoll Fortbewegung und Dynamik und dokumentiert zugleich die große Eisenbahntradition Berlins.“
Ach was ?! Nachtrag: Es hat auch noch ein Innenleben. Im Sockel befindet sich eine Kammer mit folgendem Inhalt:

Andere Kommentare:
Strange. At least the face is smiling but the horse doesn't look too happy! This sculpture rocks!
Wow, I don't know how I managed to miss it!
I wonder if it's an homage to the "iron horse'" as our railroad was called. I wonder if there was a similar expression in German. I really like it; whether or not it literally means "iron horse," it embodies the terrifying strength of a moving train.
So sweet and funny:)
Wie gut, dass es noch Leute aus der Provinz gibt, die einfache und klare Formen besser verstehen als die weltgewandten Kunstliebhaber und Kunstversteher, die übrigens ein paar Schritte weiter im Hamburger Bahnhof, ein Eldorado vorfinden dürften.
Für mich ist die Skulptur an dieser Stelle sehr passend und es ist mir eigentlich egal, wer sie in Auftrag gegeben hat. Hier steht ein Werk, dass es aus meiner Sicht gut schafft, die Verbindung vom Postkutschenzeitalter zum modernen Bahnreisen herzustellen. So herzustellen, dass es auch Kinder, und Provinzler verstehen. Für alle anderen gibt es in Berlin genügend Kunst, die ihren Ansprüchen gerecht wird.
Klare Formen, eindeutige Bildsprache, schöne Materialwahl und die Einbeziehung von Versatzstücken des alten Lehrter Bahnhofes in die Gestaltung schaffen Verbindung zu diesem Ort.
Das Pferd steht an der Nordseite des Bahnhofs. Hier kommen eher die Menschen aus der Provinz an. Die Masse an weltgewandten Touristen bevorzugt den Südausgang zum Regierungsviertel, wird also mit diesem einfachen Werk kaum konfrontiert werden.
Über Kunst lässt sich doch so trefflich streiten.

Abgesehen davon, dass Herbert Mondry, Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlins und vielfach zitierter Kritiker der Rolling Horse-Skulptur, offenbar keinerlei Kunstwerke von Bedeutung geschaffen hat, ist mir eine Stahlplastik, deren Gestalt und Thema von jedem Provinzler erkannt wird und ihn (möglicherweise) zu Assoziationen oder (kritischen) Kommentaren anregt, lieber als ein abstraktes, von Rost überzogenes Stahlgebilde, bei dem sich für die meisten Betrachter die Frage erhebt: Was soll denn das darstellen? Oder wird hier Schrott gesammelt?
PS
Da meine Mutter und meine Großmutter aus dem Wartheland stammen, wo auch der Bildhauer Jürgen Goertz herkommt, weiß ich, dass dieses Gebiet von Landwirtschaft geprägt war. Möglicherweise rührt die häufige Darstellung von Pferden durch Jürgen Goertz (neben den beiden erwähnten Skulpturen gibt es u.a. noch einen Turm der grauen Pferde, Anscallo und Der Wagenlenker) daher.



















Goertz:
Unakademisch, undogmatisch, bis geradezu anarchisch gehe ich in meiner künstlerischen Arbeit in Form, Inhalt, Stil und Material um. Nicht die obligatorische, artifizielle Ferne zwischen Kunstwerk und Betrachter macht meine Abstraktion von der Realität aus, im Gegenteil, meine überspannte Direktheit des Allesdarstellungswürdigen versetzt den Kunstgenießer oder -verächter in den oft berauschenden aber auch verwirrend erregenden Akt des Nachvollzugs künstlerischer Empfindung und Gestaltung ...
Oft bezeichne ich mich als Ausbund eines demokratischen Kindes, das seine persönlichen und künstlerischen Freiheiten voll nutzt.
Mit meiner Kunst fordere ich eine pluralistische Gesellschaft zum gedanklichen Widerspruch heraus und erwarte von ihr besonnene Toleranz und dementsprechend Respekt vor der Meinung und Leistung eines anderen...
Mein privates und öffentliches Kunstengagement lebt von der befreienden Einsicht, daß die Abstraktion der Abstraktion die neue Kunstrealität von morgen artikulieren kann - auch und gerade in der Jahrtausende überlebenden, stets sich häutenden gegenständlichen Ikonographie.
Als Künstlertyp habe ich, genetisch oder beruflich bedingt, sicherlich egomane Züge. Durch meine jahrelange Ausbildung an der Kunstakademie – in meinem Denken und Handeln eingeengt – hatte ich für viele Jahre den Gedanken verfolgt, die Schaffung meiner Kunst als geschickter Solist ausschließlich selbst zu erledigen. Längst hat auch meine Spezies begriffen, dass große künstlerische Vorhaben nur im Teamgeist bewältigt werden können. Ich empfinde heute diese Erkenntnis als eine große Bereicherung meiner persönlichen Entwicklung und als einen unermäßlichen Gewinn, im Zusammenwirken mit potenten Unternehmen und deren engagierten Fachkräften, die größer angelegten Kunstprojekte technisch zu meistern und so die künstlerischen Machwerke in eine zeitrelevante, neue Dimension zu überführen. Die Realisierung des multimedialen Autokunst-Objektes ist somit ein Produkt der intensiven Zusammenarbeit.
Bei aller Lust an der Schaffung neuer Bildideen und ungewohnter Ästhetik, die sich als befremdlich-verbindliches Konglomerat aus Technik, Natur und aktualisierter, künstlerischer Handschrift ergibt, erkenne und befolge ich in der öffentlichen Verantwortung gegenüber einer orientierungssuchenden, wachsenden Weltgesellschaft das Postulat Menschlichkeit. Emontional unterschwellig, interlektuell konstruktiv, projiziere ich diesen Aspekt in mein Kunstschaffen.





2008: Schutzengel Adenauerplatz, Wiesloch



2008: Uhu Wiesloch





1997: Traumbrunnen Nikolaikirche, Heilbronn





2013: Racing Vor Kirche St. Birgitta, Iffezheim

Goertz:
Er habe schon zahlreiche Pferdeplastiken in verschiedenen Orten geschaffen. Kein Ort sei dafür so geschaffen wie Iffezheim, den Pferde weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hätten.
Sein Motiv, das Verhältnis zwischen Pferd und Reiter, habe er auf wenige Elemente reduziert, die dennoch die Dynamik des Rennsports wiedergeben. Die Mischung abstrahierter und gegenständlicher Formen erzeuge durch ihre Dynamik eine Impression von Rennen. Für die Außenhaut habe er das neuzeitliche Material Aluminium gewählt, das er poliert, patiniert und mattiert verwende. Teile der Skulptur seien aus poliertem Edelstahl.









2003: Le Corbusier Haus der Köpfe Villa Visconti, Bietigheim-Bissingen





2004: Pegasus Technologie- und Ökologiedorf (TED), Bruchsal





1988: Der Wagenlenker Marktplatz, Mingolsheim





Goertz rollt einen eigenwilligen Wagenlenker auf den Marktplatz, unmittelbar neben das historische Rathaus, ein Gefährt mit vertrauten Elementen, aber auch mit Ideen, die dem Bildhauer geeignet erschienen, hinterfragt und kontrovers kommentiert zu werden.

Bereits als Kind sei er vom weltbekannten Wagenlenker von Delphi, einige Jahrhunderte vor Christus gestaltet, fasziniert gewesen. Die Großplastik soll den Betrachter sensibel machen für die Probleme dieser Zeit, zum Nachdenken anregen oder Ratlosigkeit auslösen.









1984: Hase - Hommage à Dürer Tiergärtnertorplatz Nürnberg

Kunst, mit der Ästhetik des Häßlichen kokettierend und dabei monströs übertreibend. Eine gelungene Verfremdung, die nicht nur kindliche Gemüter frösteln lässt. Dieser erschreckenden, knochenbrechende Hasenmutter ist es in ihrem Eiergelege einfach zu langweilig, die eigenen Jungen zu verspeisen. Es laufen ja genug Touristen herum. Und wer die Kleinen so hervorquellen sieht, ahnt, was hier auf Nürnberg zukommt. Wie ein Virus breitet sich diese Hasenidee, weitet sich zu kunststoffgrünen Hasenteppichen, Rasen genannt. Der originale Hase aber flüchtete längst nach Wien. Die Verfremdung des Themas ist vollständig gelungen. Aber keine Hommage, vielmehr ein Angriff auf einen Künstler, der zugleich ausgezeichneter Handwerker war. Ein kleiner Hase auf dem Nebensockel erinnert daran, mit welcher Einfallslosigkeit Dürer seinen Hasen gesehen hat: einfach so wie jeder normale Mensch, nicht wie ein moderner Künstler.
Doch der Frankenhase ist kein Angsthase! Kraftvoll besitzergreifend ruht die rechte Pranke auf einen menschlichen Fuß mit manikürten Nägeln. Ohne Zweifel handelt es sich bei diesem Künstler und Kunstwerk um ein ausgewachsenes Exemplar mit feinem fränkischen Humor.















2006: Schlosspark Eichtersheim und Heckerhaus













Anmerkungen:
1) Notburga von Hochhausen (nicht zu verwechseln mit der in Oberösterreich verehrten Hl. Notburga), Sagengestalt und Ortsheilige von Hochhausen am Neckar. Nach der Legende Tochter von König Dagobert I. auf Burg Hornberg bei Neckarzimmern. Notburga führt auf der gegenüberliegenden Neckarseite in einer Höhle am Steilufer des Neckars gottgefälliges Eremitendasein, als ihr Vater sie dort auf und sie sich weigert, ihr Versteck zu verlassen, reisst er ihr den linken Arm aus. Die sterbende Einarmige wird zur Märtyrerin und ihr Versteck zum Wallfahrtsort.
2) Einsteinfurcht? Holzhacken ist deswegen so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht. Inmitten der Schwierigkeiten liegt die Möglichkeit.
Geisteskrankheit ist, wenn man das Gleiche immer und immer wieder tut und andere Resultate erwartet.

3) Castelligeständnis?
Giuseppe Maria Castelli, 1753 Konsultor der Indexkongregation, die den Index Romanus (Verzeichnis der verbotenen Bücher) erstellt, das Verzeichnis der römischen Inquisition, welches für Katholiken Bücher auflistet, deren Lektüre als schwere Sünde gilt.
4) Antonia Visconti (1350 bis 1405), Gräfin von Württemberg.
Sie heiratet 1380 in Urach Graf Eberhard III., der ihr Bietigheim und Brackenheim als Wittum überschreibt. Antonia fördert die Verbreitung von Musik und Literatur in Stuttgart und Bietigheim. Bis heute erinnert die Villa Visconti, 2002 in der Altstadt von Bietigheim errichtet, an Antonia.
5) B-A-C-H-Thema.
Es findet sich in der 14. - unvollendeten - Fuge, wo Bach die Töne seines eigenen Namens verwendet und diese als letztes Thema zu den übrigen zwei Themen hinzugefügt, mit einer vierstimmigen Fuge, wonach die drei Themen zusammenkommen. Dieser Teil hätte eine Tripelfuge werden müssen, mehr als der erste Ansatz dazu ist nicht überliefert ...



Zur Website des Künstlers