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6. bis 26.Dez. 1801
26. Dez. 1801 bis Jan. 1802
Jan. bis 19. Feb. 1802
März bis Apr. 1802
Wo Seume übernachtet



Seumes Spaziergang nach Syrakus - Teil 4




Luftlinie: 21 km

2. März 1802

Wider seine Absicht besucht Seume Rom.
Die Beschreibungen des Wegs an der Adria entlang durch die Abruzzen und Kalabrien sind fürchterlich.
In Loretto macht er der "traurigen Dame" seinen Besuch, lässt sich ein halbes Dutzend hochgeweihte Rosenkränze anhängen, um einige gläubige Sünderinnen in meinem Vaterlande damit zu beglückseligen und mokiert sich über die Vergebung der Sünden:
... man verkauft wieder Indulgenzen nach Noten für alle Arten von Schurkereien. Es ist überhaupt nicht viel Vernunft in der Vergebung der Sünden; aber wer diese Art derselben erfunden hat, bleibt ein Fluch der Menschheit, bis die Spur seiner Lehre getilget ist.

vorgestern - gestern - heute
Loreto in den Marken ist - nach dem Petersdom in Rom - zweitwichtigster Wallfahrtsort in Italien und einer der wichtigsten der katholischen Welt. Die Basilika vom Heiligen Haus beinhaltet die



Santa Casa,
der Legende nach das Heilige Haus von Nazaret, in dem Maria aufwuchs und die Verkündigung empfing. Es soll von Engeln nach Loreto getragen worden sein.
Zu den Kunstschätzen der Basilika gehört das

Fresko von Melozzo da Forli



... und man verkauft wieder Indulgenzen nach Noten für alle Arten von Schurkereien. Es ist überhaupt nicht viel Vernunft in der Vergebung der Sünden; aber wer diese Art derselben erfunden hat, bleibt ein Fluch der Menschheit, bis die Spur seiner Lehre getilget ist.
Auch in den Apenninen gibt es keinen Mangel an Mordgeschichten, und in einigen Schluchten der Berge waren die Arme und Beine der Hingerichteten häufig genug hier und da zum Denkmal und zur schrecklichsten Warnung an den Ulmen aufgehängt,



Luftlinie: 20 km
Seume wandert entlang der Wasserleitung von Recanati nach Loretto und denkt: Wenn ich überall eine solche Kultur fände, wie von Ankona bis Macerata und Tolentino, so wollte ich fast den Mönchen ihre Möncherei verzeihen.
Ihm wird ein Wirtshaus nicht weit vom Tore gezeigt, wo er freundlich und billig behandelt wird, macht sich ein gutes Feuer von Ulmenreisig und Weinreben, liest eine Rhapsodie aus dem Homer und schläft so ruhig wie in der Nachbarschaft des Leipziger Paulinums.


Luftlinie: 16 km
Tags darauf ist er wieder versucht, nach links in die Abruzzen abzubiegen, weil die Landschaft so paradiesisch ist.
Statt dessen aber trinkt er - nüchtern - einen Tropfen zu viel und schwebt beschwingt weiter.




Luftlinie: 24 km
In Tolentino lässt er sich überreden und will ein Fuhrwerk, um nicht ganz allein zu sein. Es gibt aber nur einen Maulesel, den er und sein Führer besteigen. Sie kommen bis in die Nähe vom alten Kamerinum, dessen Livius im punischen Kriege erwähnt.

vorgestern
Die Schlacht von Camerinum im 3. Samnitenkrieg findet 295 v. Chr. statt Der neu gewählte Konsul Quintus Fabius Maximus Rullianus übernimmt im Winter das Heer des Appius Claudius Caecus, das sich in einem befestigten Lager bei Aharna befand, und zieht nach Camerinum weiter, Fabius khrt zu Beratungen nach Rom zurück. Die Senonen besiegen die ganze Legion unter Proprätor Scipio Barbatus. Die Berichte über Gegener und Ablauf der Schlacht sind aber widersprüchlich.

heute


Camerino




Luftlinie: 37 km
In Camerino bekommt Seume einen Wagen nach Foligno.
Serravalle di Chienti ist ein großes, langes Dorf in einer engen, furchtbaren Bergschlucht am Fluß.
Vom See bei Colfiorito, einem Kessel in den höchsten Bergwänden, geht es bald auf der andern Seite abwärts, und der Weg windet sich sehr wildromantisch in einer Felsenschnecke hinunter.



Von Case Nuove [Casenove] nach Foligno ist eine Partie, wie es vielleicht in ganz Italien nur wenige gibt, so schön und romantisch ist sie. Man erhebt sich wieder auf eine ansehnliche Höhe des Apennins, und hat über eine sehr reiche Gegend eine der größten Aussichten. Unten rechts, tief in der Schlucht, sind in einem sich nach und nach erweiternden Tale die Papiermühlen des Papstes angelegt, die zu den besten in Italien gehören sollen.



Oben sind die Berge kahl, zeigen dann nach und nach Gesträuche, geben dann Ölbäume und haben am Fuße üppige Weingärten. Hier sah ich, glaube ich, zuerst die perennierende Eiche, die in Rom eine der ersten Zierden des Borghesischen Gartens ist. Auf der Höhe des Weges soll man hier, wenn das Wetter rein und hell ist, bis nach Assisi und Perugia an dem alten Thrasymen sehen können.
Ich war nicht so glücklich; es war ziemlich umwölkt.



Luftlinie: 25 km

Seume geht ab Foligno wieder zu Fuß und wandelt im Tal hinauf an den berühmten Quellen des Klitumnus [Fonti di Clitunno] vorbei. Als er sich im jungen Gras sonnt, setzt sich ein stattlich gekleideter Jäger zu ihm, um sich über die politischen Zukunftsaussichten Europas unterhalten. Seume geißelt den Russischen Nationalgeist: Es gebe nichts Anmaßlicheres, Verwegeneres, Hohnsprechenderes, Impertinenteres, nicht den des Volks, sondern der hoffnungsvollen Sprößlinge der großen Familien, die die nächste Anwartschaft auf Ämter im Zivil und bei der Armee haben.
In Spoleto findet er nach längerem Suchen ein Gasthaus.
Es ist ein großes, altes, dunkles, häßliches, jämmerliches Loch, das Spoleto; ich möchte lieber Küster Klimm zu Bergen in Norwegen sein, als Erzbischof zu Spoleto. Die Leute hier, denen ich ins Auge guckte, sahen alle aus wie das böse Gewissen ... Deswegen habe ich mich auch keinen Deut um ihre Altertümer bekümmert, deren hier noch eine ziemliche Menge sein sollen. Aber alles ist Trümmer; und Trümmern überhaupt, und zumal in Spoleto, und überdies in so entsetzlichem Nebelwetter, geben eben keine schöne Unterhaltung.
Ich Idiot glaubte, als ich in Foligno angekommen war, ich sei nun den Apennin durchwandelt: aber das ganze Tal des Klitumnus mit den Städten Foligno und Spoleto liegt in den Bergen; von Spoleto bis Terni ist der furchtbarste Teil desselben; und hier war ich wieder zu Fuße ganz allein.


Luftlinie: 20 km



Den Morgen als ich Spoleto verließ, sah ich links an dem Felsen noch das alte gotische Schloß,
... und immer die wilde Bergschlucht hinauf.
Wo ich einkehrte unterhielt man mich überall mit Räubergeschichten und Mordtaten, um mir einen Maulesel mit seinem Führer aufzuschwatzen; aber ich war nun einmal hartnäckig und lief trotzig allein meinen Weg immer vorwärts.
Der Weg aufwärts von Spoleto ist noch nicht so wild und furchtbar als der Weg abwärts und weiter nach Terni.



Das Tal abwärts ist zuweilen kaum hundert Schritte breit, rechts und links sind hohe Felsenberge, zwischen welche den ganzen Tag nur wenig Sonne kommt, mit Schluchten und Waldströmen durchbrochen. Dörfer trifft man auf dem ganzen Wege nicht, als auf der Spitze des Berges nur einige Häuser und ein halbes Dutzend in Strettura, dessen Name schon einen engen Paß anzeigt.
Hier und da sind noch einige isolierte Wohnungen, die eben nicht freundlich aussehen, und viele alte, verlassene Gebäude, die ziemlich den Anblick von Räuberhöhlen tragen. Fast nichts ist bebaut.

Terni:
Mein Wirt, ein Tiroler und stolz auf die Ehre ein Deutscher zu sein, fütterte mich auf gut östreichisch recht stattlich, und setzte mir zuletzt ein Gericht Sepien vor, die mir zum Anfange vielleicht besser geschmeckt hätten. Er mochte mich für einen Maler halten und glauben, daß dieses zur Weihe gehöre. Zum Desert und zur Delikatesse kann ich den Dintenfisch nach dem Urteil meines Gaumens nicht empfehlen; schon seine schwarzbraune Farbe ist in der Schüssel eben nicht ästhetisch. Nachdem ich gespeis't, Interamner Wein getrunken und meinen Reisesack gehörig in Ordnung gelegt hatte, trollte ich fort nach dem Sonnentempel.







Chiesa San Slavatore, errichtet auf einem römischen Sonnentempel aus dem 2. Jahrhundert
Die Leute haben bekanntlich das Tempelchen wie wahre Obskuranten behandelt und dafür gesorgt, daß in den Sonnentempel keine Sonne mehr scheinen kann. Alle Eingänge sind vermauert und zu Nischen gemacht, in deren jeder ein Heiliger für Italien schlecht genug gepinselt ist; und über dem Altar steht ein Sankt Salvator, der seinen Verfertiger auch nicht aus dem Fegefeuer erlösen wird.

Nun stieg ich, ob ich gleich diesen Tag schon durch vier Meilen Apenninen von Spoleto herüber gekommen war, noch eine deutsche Meile lang den hohen Steinweg zu dem Fall des Velino hinauf. Das war Belohnung. Der Tag war herrlich; kein Wölkchen, und es wehte ein lauer Wind, der nur in der Gegend des Sturzes etwas kühl ward. Die Sonne stand schon etwas tief und bildete aus der furchtbaren Schlucht der Nera hoch in der Atmosphäre einen ganzen hellen, herrlich glühenden und einen größern dunkeln Bogen im Staube des Falles. Ich saß gegenüber auf dem Felsen, und vergaß einige Minuten alles, was die Welt sonst großes und schönes haben mag. Etwas größeres und schöneres von Menschenhänden hat sie schwerlich aufzuweisen.

Cascata delle Marmore



Seume dichtet:

Hier hat vielleicht der große Mann gesessen
Und dem Entwurfe nachgedacht,
Der seinen Namen ewig macht;
Hat hier das Riesenwerk gemessen,
Das größte, welches je des Menschen Geist vollbracht.

Es war ein göttlicher Gedanke,
Und staunend steht die kleine Nachwelt da
An ihres Wirkens enger Schranke
Und glaubet kaum, daß es geschah.

Wie schwebte mit dem Regenbogen,
Als durch die tiefe Marmorkluft
Hinab die ersten Donnerwogen
Wild schäumend in den Abgrund flogen,
Des Mannes Seele durch die Luft!

So eine selige Minute
Wiegt einen ganzen Lebenslauf
Alltäglichen Genusses auf;
Sie knüpft das Große an das Gute.

Es schlachte nun der zürnende Pelide
Die Opfer um des Freundes Grab;
Es zehre sich der Philippide,
Sein Afterbild, vor Schelsucht ab!

Es weine Cäsar, stolz und eitel,
Um einen Lorbeerkranz um seine kahle Scheitel;
Es mache sich Oktavian,
Das Muster schleichender Tyrannen,
Die je für Sklaverei auf schöne Namen sannen,
Mit Schlangenlist den Erdball untertan:

Die Motten zehren an dem Rufe,
Den ihre Ohnmacht sich erwarb,
Und jedes Sekulum verdarb
An ihrem Tempel eine Stufe.

Hier steigt die Glorie im Streit der Elemente,
Und segnend färbt der Sonnenstrahl
Des Mannes Monument im Tal,
Wo sanft der Ölbaum nickt, und hoch am Firmamente.
Das Feuer glüht mir durch das Rückenmark,
Und hoch schlägts links mir in der Seite stark:
Wer so ein Schöpfer werden könnte!




Luftlinie: 21 km

Am anderen Morgen wandert Seume weiter nach Narni und übernachtet in Otrikoli, einem alten schmutzigen Orte nicht sehr weit von der Tiber, wo ich gegen Abend ankam.


Narni: Ponte D'Augusto

Wieder setzt sicht ein Mann zu dem Spaziergänger aus Deutschland.

Er war ein starker, heißer Politiker, und, wie sehr natürlich, mit der Lage der Dinge und vorzüglich mit den allerneuesten Veränderungen nicht sonderlich zufrieden...
Orthodoxie in Kirche und Staat schien seine Sache nicht zu sein; und er mußte etwas Zutrauen zu meinem Gesichtswurf gewonnen haben, daß er mich ohne Zurückhaltung so tief in seine Seele sehen ließ. Er kannte die heutigen Staatsverhältnisse ungewöhnlich gut und war in der alten Geschichte ziemlich zu Hause. Der alte Römerstolz schien noch tief in seinem Innern zu sitzen. Er sprach skeptisch vom Papste und schlecht von den Franzosen; besonders hatte sein Haß den General Murat recht herzlich gefaßt, von dessen schamlosen Erpressungen er zähneknirschend sprach, und der schon durch seinen Mameluckennamen allen Kredit bei ihm verloren hatte. Dieser Otrikolaner war seit langer Zeit der erste Mann, der meinen Spaziergang richtig begriff, und meinte, daß sein Vaterland auch jetzt noch ihn verdiene, so tief es auch gesunken sei. Wir schüttelten einander freundschaftlich die Hände, und ich ging mit der folgenden Morgendämmerung den Berg hinunter, neben den Ruinen der alten Stadt vorbei, auf die Tiber zu.



Luftlinie: 59 km

Vom Tiber und Borghetto an wird alles wüst und öde.
Von Civita Castellana aus trennt sich die Straße, Seume geht die neue über Nepi und Monterosi.
Dabei macht er sich Gedanken über Straßen im Allgemeinen und (200 Jahre später wieder aktuell!) die Maut und Spurrillen im Speziellen:

Es ist empörend, wenn dem Reisenden Geleite und Wegegeld abgefordert wird und er sich kaum aus dem Kot herauswinden kann, um dieses Geld zu bezahlen. Die Straßen sind einer der ersten Polizeiartikel, an den man fast überall zuletzt denkt. Geleite und Wegegeld und Postregal haben durchaus keinen Sinn, wenn daraus nicht für den Fürsten die Verbindlichkeit entspringt, für die Straßen zu sorgen; und die Untertanen sind nur dann zum Zuschuß verpflichtet, wenn jene Einkünfte nicht hinreichen. Denn der Staat hat unbezweifelt die Befugnis, die Natur und Zweckmäßigkeit und den gesetzlichen Gebrauch aller Regalien zu untersuchen, wenn es notwendig ist, und auf rechtliche Verwendung desselben zu dringen. Das gibt sich aus dem Begriff der bürgerlichen Gesellschaft, wenn gleich nichts davon im Justinianischen Rechte steht, welches überhaupt als jus publicum das traurigste ist, das die Vernunft ersinnen konnte; so sehr es auch ein Meisterwerk des bürgerlichen sein mag.

Bei den Straßen tritt noch eine Hauptvernachlässigung ein, ohne deren Abstellung man durchaus auch mit großen Summen und anhaltender Arbeit nicht glücklich sein wird. Ich meine, man sucht nicht mit Strenge das schädliche Spurfahren zu verhüten. Es ist so gut, als ob keine Verfügungen deswegen vorhanden wären, so wenig wird darauf gesehen. Es ist mathematisch zu beweisen, daß die Gewohnheit des Spurfahrens, zumal der schweren Wagen, die beste, festeste Chaussee in kurzer Zeit durchaus verderben muß. Ist einmal der Einschnitt gemacht, so mag man schlagen und ausfüllen und klopfen und rammeln, so viel man will, man gewinnt nie wieder die vorige Festigkeit; die ersten Wagen fahren das Gleis wieder aus, und machen das Übel ärger.

Fängt man an ein zweites Gleis zu machen, so ist dieses bald eben so ausgeleiert; und so geht es nach und nach mit mehrern, bis die ganze Straße ohne Hülfe zu Grunde gerichtet ist. Wenn aber der Weg nur einiger Maßen in Ordnung ist und durchaus kein Wagen die Spur des vorhergehenden hält, so kann kein Gleis und kein Einschnitt entstehen; sondern jedes Rad versieht, sozusagen, die Stelle eines Rammels und hilft durch die beständige Veränderung des Drucks die Straße bessern. Man würde ebensosehr endlich den Weg verderben, wenn man ohne Unterlaß mit dem Rammel beständig auf die nämliche Stelle schlagen wollte. Durch das Nichtspurfahren verändern auch die Pferde beständig ihre Tritte, und das Nämliche gilt sodann von den Hufen der Tiere, was von den Rädern des Fuhrwerks gilt. Fast durchaus habe ich den Schaden dieser bösen Gewohnheit gesehen, und nur im Hannöverischen hat man, so viel ich mich erinnere, strengere Maßregeln genommen, ihn zu verhüten. Aber ich muß machen, daß ich nach Rom komme.



Italiener, denen er begegnet, erkennen ihn immer sofort als Deutschen, ohne dass er ein Wort sagen muss. Bei Nepi raten sie ihm, ja nicht zu bleiben, sondern weiter nach Monterosi zu gehen.

Nepi könnte ein gar herrlicher Ort sein, wenn die Leute hier etwas fleißiger sein wollten.
Hinter Monterosi packte mich ein Vetturino, der von Viterbo kam und nach Rom ging, mit solchem Ungestüm an, daß ich mich notwendig in seinen Wagen setzen mußte, wo ich einen stattlich gekleideten Herrn fand, der eine tote Ziege und einen Korb voll anderer Viktualien neben sich hatte. Die Ziege wurde eingepackt und der Korb beiseite gesetzt; ich legte meinen Tornister zu meinen Füßen gehörig in Ordnung, und pflanzte mich Barbaren neben den zierlichen Römer.

Am 1. März, knapp drei Monate nach dem Aufbruch in Sachsen, ist er in Rom, der Mitreisende bietet Seume an, ihn mit in sein Haus, den Palast Strozzi, wo er eine Art von Haushofmeister zu sein schien, zu nehmen.




Goethe, mit Wagen und auf kürzerer Strecke reisend, braucht 1786 von Karlsbad bis Rom 56 Tage.

Seume besucht den preußischen Ministerresidenten Uhden, den Kunstschriftsteller Fernow und Kardinal Borgia, an die er Einführungsschreiben hat, und den Bildhauer Canova in dessen Atelier. Alle empfangen ihn herzlich, wollen ihm behilflich sein. Aber weder diese Freunde noch die Kunstschätze der Ewigen Stadt vermögen ihn zu halten. Nach nur 3 Tagen verlässt er Rom wieder. Trotz aller Kulturkritik, die in jeder seiner Schriften zutage tritt, geht ihm das Herz nur auf in einer Landschaft, wo Natur und menschliche Tätigkeit sich zu höherer Harmonie vereinigen. Diese Kulturlandschaft findet er vollkommen in Kampanien im Umkreis von Neapel:
Dieses ist also das schöne, reiche, selige Kampanien, das man, seitdem es so bekannt ist, zum Paradies erhoben hat, für das die römischen Soldaten ihr Kapitol vergessen wollten! Es ist wahr, das sogenannte Kampanertal ist von allem, was ich in der Alten und Neuen Welt bis jetzt noch gesehen habe, der schönste Platz, wo die Natur alle ihre Gaben bis zur höchsten Verschwendung ausgegossen hat. Jeder Fußtritt trieft von Segen. Du pflanzest einen Baum, und er wächst in kurzer Zeit schwelgerisch breit und hoch empor. Du hängst einen Weinstock daran, und er wird stark wie ein Stamm, und seine Reben laufen weit ausgreifend durch die Krone der Ulme; der Ölbaum steht mit bescheidener Schönheit an dem Abhang der schützenden Berge; die Feige schwillt üppig unter dem großen Blatt am gesegneten Ast; gegenüber glüht im sonnigen Tal die Orange, und unter dem Obstwalde wallt der Weizen, nickt die Bohne in reicher, lieblicher Mischung. Der Arbeiter erntet dreifach auf dem nämlichen Boden in Fülle Obst und Weizen und Wein; und alles ist üppige, ewig jugendliche Kraft.

gestern



Paul Gompitz' Einsamkeit in Rom:
Er hat das Höchste erreicht, was ein DDR-Bürger erträumen kann, ist auf eigene Faust bis an die Quellen der abendländischen Zivilisation vorgestoßen, hat etwas Zeit, etwas Geld und keinen Stasi-Aufpasser, kann die Seele baumeln lassen oder sich bilden, er ist frei wie nie, fort von allen lästigen Zwängen, und gleichzeitig völlig erschöpft und allein mit nie erwarteten Eindrücken und Erlebnissen. Alles schweigend aufzunehmen, überfordert ihn, und alles nur in Briefen festzuhalten, scheint ihm ungenügend. Er fühlt sich provoziert von dem lustigen Völkchen der Italiener, die ihre Zufriedenheit und ihr Glück aller Welt zeigen. Es ist ihm, als verhöhnten sie ihn, der diese Gelegenheit nicht hat und nur mit seiner nutzlosen Sehnsucht nach Helga und den Freunden aus Rostock und Sachsen allein ist. Gestört von der neuen Erfahrung, dort, wo er sich jahrelang hingewünscht hat, vom Wunsch geplagt zu werden, möglichst schnell wieder zu Hause zu sein, wird ihm die Ewige Stadt ein Alptraum.



Seume wandert weiter, trifft einen Franzosen, der sich in Veletri häuslich niedergelassen hat, der ihm die Gegend und die neueste Zeitgeschichte erklärt, in Albano empfiehlt er ihm das Postwirtshaus.
Tags darauf geht Seume weiter über Aricia [Ariccia], nach Gensano und Veletri und immer in die Pontinen hinein. Er trifft einen französischen Offizier, in Cisterne wollen sie übernachten; aber das Wirtshaus hatte die schlechteste Miene von der Welt, und sie wandern weiter bis bis Torre di tre ponti, wo sie nur ein Heulager bekommen.



Am nächsten Tag ist stürmisches Wetter, Seume wandert weiter und verspricht, in Terracina im Gasthofe auf ihn zu warten.
Es war dabei ein furchtbarer Regensturm und ich konnte nicht zwanzig Schritte sehen. Ich ging fast eine Viertelstunde auf der Straße bis über den Gürtel im Wasser, und wußte nicht was vor mir sein würde. Einige Mal waren leere Plätze links und rechts; und da stand ich in den Einschnitten wie im Meere. Nur die Bäume, die ich dunkel durch den Regensturm sah, machten mir Mut vorwärts. Endlich war ich glücklich durch die päpstliche Stelle, und zog eine Parallele zwischen den Alten und Neuen, die eben nicht zum Vorteil meiner Zeitgenossen ausfiel. Wie ich heraus war, ward der Himmel hell, und ich sah den Berg der göttlichen Circe in der Abendsonne zu meiner Rechten und zu meiner Linken die Felsen von Terracina glänzen. Es war wirklich, als wenn die alte Generalhexe eben einen Hauptprozeß machte, und ich konnte froh sein, daß ich noch so gut mit einem Bißchen Schmutz davongekommen war.


Luftlinie von Rom: 90 km

Seume erkundet den Felsen oberhalb Terracinas und genießt den Ausblick.












Luftlinie: 25 km

Zuerst am Strand geht es weiter über Fondi nach Itri.


Luftlinie bis Sessa: 35 km

Den andern Morgen wandelt Seume zwischen den Ölbergen nach Mola di Gaeta [Formia] hinüber. Er findet ein großes, schönes, ziemlich billiges Gasthaus, wo er bei frischen Eiern und frischen Fischen, die nicht weit von hier aus dem Meere gezogen wurden, und frischen herrlichen Früchten ein vortreffliches Frühstück hält.
Unter ihm steht ein Zitronengarten in der schönsten Glut der Früchte; und links und rechts übersieht er die Bucht von der Spitze des Vorgebirges rund herum bis hinüber nach Ischia und Procida.



Beim Weitergehen denkt Seume an Cicero und setzt dann über den Garigliano, Mauleselstreiber nötigen ihn halb mit Gewalt auf ihr Tier und er reitet bis Sessa [Aurunca], wo er im Gasthaus zur Post übernachtet. Er spaziert zur Kathedrale.




Luftlinie: 38 km

Als wir den Morgen auswanderten, ward meinem Kalabresen entsetzlich bange; er behauptete, das folgende große Dorf bestände aus lauter Räubern und Mördern, welche die Passage von Montagne Spaccate zu ihrem Tummelplatz machten. Jeder Windstoß durch das Gesträuch erschreckte ihn; und als wir vollends einige bis auf die Zähne abgedorrte Köpfe in eisernen Käfichen an dem Felsen befestigst sahen, war er der Auflösung seines Wesens nahe, ob er gleich den Krieg als königlicher Kanonier mitgemacht hatte, und ein Kerl wie ein Bär war. Er faselte von lauter Mariohlen, wie er sie nannte, die gar fürchterliche Leute sein sollten und von denen er erschreckliche Dinge erzählte. Als ich mir eine Beschreibung der Kerle ausbat, sagte er, man wüßte nicht, woher sie kämen und wohin sie gingen, sondern nur was sie täten; sie plünderten und raubten und schlügen tot wo sie könnten; gingen zu Dutzenden bewaffnet, und erschienen und verschwänden, ohne sich um etwas zu bekümmern. Nach seiner Angabe kommen sie meistens aus den Bergen von Abruzzo.
Er trieb mich immer vorwärts, mich nur durch die berüchtigte Felsenpassage zu bringen; und dankte allen Heiligen inbrünstiglich, als wir aus der Gegend heraus waren. Er segnete meinen Entschluß; als ich mich auf der Straße von einem Vetturino bereden ließ, mich einzusetzen und mich mit ihm bis nach Kapua bringen zu lassen.

Dann pilgert Seume seinen Weg nach Kaserta fort.



vorgestern und gestern
Der erste Anblick ist groß und wirklich imponierend. Der Garten links, die schönen Pflanzungen rechts, der prächtige Schloßplatz und die Gebäude rundumher, alles beschäftigt. Vorzüglich wird das Auge gefesselt von der Ansicht durch das große Tor, welche durch das ganze Schloß und die Gärten bis weit hinaus auf die Berge geht, über welche man die berühmte Wasserleitung herüber gebracht hat. Diese schöne reiche Kunstkaskade schließt den Grund der Partie. Man wird selten irgendwo so etwas magisches finden. Du weißt, daß auch hier die Franken etwas willkürlich gehaus't haben: jetzt ist der Kronprinz und seine Sardinische Majestät hier.





Eines der größten Schlösser Europas und Filmkulisse (Illuminati), Residenz der Bourbonen, die selten anwesend sind, für deren absolutistische Herrschaft über die Königreiche Neapel und Sizilien, ab 1751 nach dem Vorbild von Versailles auf einem beschlagnahmten Grundstück errichtet, Bauzeit 100 Jahre.

247 m lang und 184 m breit, 4 große Innenhöfe, einige Mauern über 5 m dick, mehr als 1200 Räume und 1970 Fenster, größtes Treppenhaus des Barocks.



Karl III. wünscht einen gut 100 Hektar großen Schlosspark, der an Spanien erinnert: Bergpark um eine mittige 3 km lange Sichtachse, Wasserbassins, Brunnen und Kaskaden.







Ferdinand I., Ferdinando Antonio Pasquale Giovanni Nepomuceno Serafino Gennaro Benedetto von Bourbon (1751 bis 1825), Infant von Spanien, Ferdinand IV. König von Neapel (1759–1806), dritter Sohn Karls III. von Spanien und Prinzessin Maria Amalias von Sachsen, heiratet 1768 Maria Karolina von Österreich, Tochter Maria Theresias, sie beruft 1784 Acton zum ersten Minister, errichtet angesichts der Französischen Revolution ein strenges Polizeiregiment, verfolgt den Liberalismus mit scharfen Strafen.
Die Erfolge der republikanischen Armee in Italien zwingen Ferdinand, 1796 mit der Republik Frieden zu schließen, 1798 verbündet er sich 1798 mit Österreich, Russland und Großbritannien und dringt bis Rom vor, ein französiches Heer rückt in Neapel ein.

Horatio Nelson muss die königliche Familie, den britischen Botschafter und andere Persönlichkeiten aus der bedrohten Stadt zu schaffen. 600 Personen schiffen sich Ende 1798 ein, verlassen Neapel und gehen nach stürmischer Überfahrt in Palermo an Land. 1799 wird die Parthenopeischen Republik proklamiert. Royalistische Aufstände gegen die von Frankreich eingesetzten Regierungen folgen, im Juni ist Neapel in der Gewalt des Royalistenheers unter Kardinal Fabrizio Dionigi Ruffo, 1800 kehrt der Hof nach Neapel zurückkehrt und lässt zahlreiche Abtrünnige hinrichten.
Im Frieden von Florenz 1801 mit Napoleon muss Ferdinand den Stato dei Presidi abtreten, französische Besatzungen in seinen Staaten zulassen sowie im Neutralitätsvertrag von 1805 versprechen, den Truppen der gegen Frankreich Krieg führenden Mächte die Landung zu verweigern.
(1805 setzt Napoleon die Dynastie der Bourbonen in Neapel ab, ernennt 1808 Schwager Murat zum König von Neapel, nach dem Wiener Kongress zieht er 1815 in Neapel ein, nachdem er Murat standrechtlich erschießen hat lassen. Murat:"Soldaten, zielt auf das Herz, schont das Gesicht!")


Luftlinie: 25 km

Dieses ist also das schöne, reiche, selige Kampanien, das man, seitdem es so bekannt ist, zum Paradiese erhoben hat, für das die römischen Soldaten ihr Kapitol vergessen wollten. Es ist wahr, der Strich zwischen Aversa, Kapua, Kaserta, Nola und Neapel, zwischen dem Vesuv, dem Gaurus und den hohen Apenninen, oder das sogenannte Kampanertal, ist von allem was ich in der alten und neuen Welt bis jetzt noch gesehen habe der schönste Platz, wo die Natur alle ihre Gaben bis zur höchsten Verschwendung ausgegossen hat. Jeder Fußtritt trieft von Segen. Du pflanzest einen Baum, und er wächst in kurzer Zeit schwelgerisch breit und hoch empor; Du hängst einen Weinstock daran und er wird stark wie ein Stamm, und seine Reben laufen weitausgreifend durch die Krone der Ulme; der Ölbaum steht mit bescheidener Schönheit an dem Abhange der schützenden Berge; die Feige schwillt üppig unter dem großen Blatte am gesegneten Aste; gegenüber glüht im sonnigen Tale die Orange, und unter dem Obstwalde wallt der Weizen, nickt die Bohne, in reicher lieblicher Mischung. Der Arbeiter erntet dreifach auf dem nämlichen Boden in Fülle, Obst und Wein und Weizen; und alles ist üppige, ewig jugendliche Kraft. Unter diesen magischen Abwechselungen kamen wir in einigen Stunden in Parthenope an.



vorvorgestern
Parthenope - antike griechische Stadt im Gebiet des heutigen Neapel, etwa 700 v. Chr. von aus dem nahen Cumae kommenden griechischen Siedlern im Stadtteil San Ferdinando auf dem Hügel Pizzofalcone und der direkt vor der Küste liegenden kleinen Insel Megaride errichtet. Etwa 500 v. Chr. gründen die Griechen im Nordwesten eine zweite Stadt, namens Neapolis („Neue Stadt“) und ab da heißt Parthenope auch Paläopolis („Alte Stadt“). Der Name Parthenope geht auf die griechische Sirene Parthenope zurück, die hier an Land gespült worden sein soll.

Ein Mitreisender bringt Seume im eignen Wagen in das Haus eines seiner Bekannten an dem Ende des Toledo, bis er Heigelin aufsucht, an den er eine Empfehlung von Wien hat.






In Neapel wohnt Seume am Piazza Monteoliveto, auf halbem Weg zwischen zwischen der Piazza del Gesù Nuovo und der Piazza Carità, nahe der Via Toledo.
Seit einigen Tagen bin ich mit einem alten Genuesen, der halb Europa kennt und hier den Lohnbedienten und ein Stück von Cicerone macht, in der Stadt herumgelaufen. Der alte Kerl hat ziemlich viel Sinn und richtigen Takt für das Gute und sogar für das Schöne. Er hielt mir einen langen Sermon über die Landhäuser der Kaufleute rund in der Gegend umher, und bemerkte mit zensorischer Strenge, daß sie das Verderben vieler Familien würden. Man wetteifere gewöhnlich, wer das schönste Landhaus und die schönste Equipage habe, wer auf seinem Casino die ausgesuchtesten Vergnügen genieße und genießen lasse, und wetteifere sich oft zur Vergessenheit, und endlich ins Unglück. Sitten und Ehre und Vermögen werden vergeudet. Kaum habe der Kaufmann ein kleines Etablissement in der Stadt, so denke er schon auf eines auf dem Lande; und das zweite koste oft mehr als das erste. Spiel und Weibergalanterie und das verfluchte oft abwechselnde Cicisbeat seien die stärksten Gegenstände des Aufwands
Er besichtigt die Kirche des heiligen Januar, kriecht in den Katakomben herum, besucht Virgils Grab, Kloster und Kirche der heiligen Klara, von der sein Cicerone erzählt:
Zeitgenossin des heiligen Franziskus und des heiligen Dominikus, die man beschuldige, beide glauben gelassen zu haben, jedem ausschließlich mit sehr feuriger christlicher Liebe zugetan zu sein. Dominikus, ein großer, starker, energischer Kerl, Nebenbuhler Franziskus mehr ein ätherischer, sentimentaler Stutzer ... Dominikus habe einmal den brünstigen Franziskus mit der heiligen Klara in einer geistlichen Ekstase getroffen, die seiner Eifersucht etwas zu körperlich vorkam; er habe in der Wut die nächste Waffe ergriffen, einen Bratspieß, und damit so grimmig auf den unbefugten Himmelsführer losgestochen, dass er ihn fast vor der Zeit dahin geschickt hätte. Der Patient sei davongekommen, aus dieser schönen Züchtigung seien die Stigmen entstanden, die noch jetzt in der christlichen Katholizität mit allgemeiner Andacht verehrt würden. Quelles betises on nous donne à digerer! Chacun les prend à sa façon.

heute
Posillipo, ein etwa 6 km langer Hügelzug im Südwesten, zu seinen Füßen das Grab Vergils ...



Posillipo steht für das exklusive und wohlhabende Neapel, schönstes und exklusivstes Stadtviertel, traumhafte Villen verstecken sich auf dem Hügel, verschlungene Wege führen hinunter zum Marechiaro. Die Häuser schmiegen sich an den Hang, von der Steilküste eröffnen sich atemberaubende Panoramablicke aufs Meer. Im Park, abseits vom Straßenverkehr, malen Künstler die bekannten Bilder mit dem Vesuv im Hintergrund.





Am Fuß des des Posilippo versucht Seume hinaus bis an die Spitze zu wandeln, es gibt keine Straße, nur schroffe Felsen. Er kehrt um und eine Menge Bootsleute wollen ihn an die Spitze hinausrudern. Der Sturm heult von Sorrent und Capri gewaltig herüber, die Wogen machen furchtbare Brandung, Wasser schwappt reichlich ins Boot, und sein Begleiter hatte in einem Stündchen die Seekrankheit bis zu der letzten Wirkung.



Ich wollte um das Inselchen Nisida herum gerudert sein; das war aber nicht möglich: wir mußten, als wir einige hundert Schritte vor dem Einsiedler vorbei waren, umkehren und unsere Zuflucht in ein einsames Haus nehmen, wohin man in der schönen Zeit von der Stadt aus zuweilen Wasserpartien macht, wo es aber jetzt traurig genug aussah. Indessen fütterte uns doch der Wirt mit Makkaroni und gutem Käse. Nicht weit von hier, nahe an dem Inselchen Nisida, auf welchem auch Brutus vor dem Tode der Republik sich einige Zeit aufgehalten hat, sind die Trümmer eines alten Gebäudes, die aus dem Wasser hervorragen, und die man gewöhnlich nur Virgils Schule nennt.

Mein Genuese bat mich um alles in der Welt, ihn nicht wieder ins Boot zu bringen. Auch ich war sehr zufrieden, auf einem andern Wege nach der Stadt zurückzukehren.

vorgestern
Romuald von Camaldoli entwickelt ein neues Konzept des Ordenslebens: das zusammengeschlossene Eremitentum, der Orden der Kamaldulenser entsteht im toskanischen Camaldoli. Motto der Mönche: „Leben alleine mit Gott und für Gott allein.“

1585 gründen auf einem Hügel, 485 m hoch, mit wunderbarem Panorama über Neapel, den Golf und die Halbinsel von Sorrent Möche die Einsiedelei vom Allerheiligsten Erlöser - Eremo SS. Salvatore. In dem Ort der Askese und der Mystik leben sie 400 Jahre lang, heute ein Gästehaus mit Speisesälen, Gemeinschafts- und Lesezimmer, Bibliothek und Konferenzsaal.







Seume steigt über den Agnano hin zum das Kloster [Eremo di S. Salvatore dei Camaldoli] hinauf und genießt vom vielleicht schönsten Punkt in ganz Italien die Aussicht:



Rundumher liegt das ganze schöne magische klassische Land unter Einem Blick. Portici [Ercolano], das auf der Lava der Stadt des Herkules steht, der sich emportürmende Vesuv mit dem Somma, Torre del Greco, Pompeji, Stabiä, Surrent, Massa, Kapri, der ganze Posilippo, Nisida, Ischia, Procida, der ganze Meerbusen von Bajä mit den Trümmern der Gegend, Misene, die Thermen des Nero, der Lukriner See und hinter ihm versteckt der Avernus, die Solfatara, bei heiterm Wetter die Berge von Kumä, der Gaurus und weiterhin die beschneiten Apenninen; unten der Agnano mit der Hundsgrotte, deren Eingang nur ein hervorspringender Hügel bedeckt; der neue Berg hinter der Solfatara; alte und neue Berge, ausgebrannte und brennende Vulkane, alte und neue Städte, Elysium und die Hölle: alles dieses fassest Du mit Deinem Auge ...





Tief, tief in der Ferne sieht man noch Ponza und einige kleinere Inseln.




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Vesuv Portici/Herculaneum Torre del Greco Pompeji Stabiä/Castellammare di Stabia Stabiä/Castellammare di Stabia Sorrent Massa Capri Posillipo Nisida Ischia Procida Appeninnen Misene Lukriner See Avernus Gaurus Lukriner See Agnano Ponza



Da haben die Mönche wieder das beste gewählt. Freund, wenn Du einmal hörst, daß ich unbegreiflich verschwunden bin, so bringe mit unter Deine Mutmaßungen, daß ich vielleicht der schönsten Natur zu Ehren die größte Sottise gemacht habe, und hier unter den Anachoreten hause. Hier den Homer und Virgil, den Thucydides und etwas von der attischen Biene, abwechselnd mit Aristophanes, Lucian und Juvenal; so könnte man wohl in den Kastanienwäldern leben und das Bißchen Vernunft bei sich behalten: denn diese wird jetzt doch überall wieder konterband. Also gehe zu den Kamaldulensern, wenn Du auch nicht in Versuchung bist, bei ihnen oben zu bleiben.
Jetzt schließe ich ..., denn eben muß ich zu Schiffe nach Palermo.






Luftlinie: 170 sm

Zur überfahrt nach Sizilien benutzt Seume ein Kauffahrteischiff.
Wir hatten einige Tage auf leidlichen Wind zum Auslaufen gewartet: endlich kam eine starke Tramontane und führte uns aus dem Zauberplatze heraus. Es war gegen Abend, die sinkende Sonne vergoldete rundumher die Gipfel der schönen Berge, der Somma glänzte, der Vesuv wirbelte Rauchwölkchen, und die herrliche Königsstadt lag in einem großen, großen Amphitheater hinter uns in den magischen Strahlen. Rechts war Ischia und links Kapri; die Nacht senkte sich nach und nach und verschleierte die ferneren Gegenstände in tiefere Schatten. Ich konnte in dem Abendschimmer nur noch deutlich genug die kleine Stadt auf Kapri unterscheiden.





Ich hätte von Neapel aus gern eine Wasserfahrt dahin gemacht, um einige Stunden auf dem Theater herumzuwandeln, von welchem zur Schande des Menschenverstandes ein sybaritischer Wüstling einige Jahre das Menschengeschlecht mißhandelte; aber ich konnte keine gute Gesellschaft finden, und für mich allein wären nach meinen übrigen Ausgaben die Kosten zu ansehnlich gewesen.



Der Wind ging stark und die See hoch, aber ich schlief gut: man erkannte gleich daraus und aus meinem festen Schritt auf dem Verdeck, daß ich schon ein alter Seemann sein müsse. Da es Fasten war und die Leute lauter Öl aßen, wollte sich der Kapitän mit dem Essen für mich nicht befassen: ich hatte also auf acht Tage Wein, Orangen, Brot, Wurst und Schinken für mich auf das Schiff bringen lassen. Den ganzen Tag ging der Wind ziemlich stark und gut; aber gegen Abend legte er sich und die See ward hohl. Doch hatten wir uns gegen Morgen, also in allem sechsunddreißig Stunden in den


Hafen von Palermo

hineingeleiert. Das war eine ziemlich gute Fahrt.
Auf der Höhe hatten wir immer die Kanonen scharf geladen und ungefähr vierzig große Musketons fertig, um gegen die Korsaren zu schlagen, wenn einer kommen sollte. Denn Du mußt wissen, der Unfug ist jetzt so groß, und die neapolitanische Marine ist jetzt so schlecht, daß sie zuweilen bis vor Kapri und sogar bis vor die Stadt kommen, um zu sehen, ob sie etwa Geschäfte machen können, wie sich auch die Spielkaper in den deutschen Bädern ausdrücken. Das ist nun freilich eine Schande für die Regierung, aber die Regierung hat dergleichen Schandflecke mehr.


Durchschnittsfahrt von 4,7 kn FüG - für die damalige Zeit ein ausgezeichneter Schnitt ...

Vom königlichen Bibliothekar, Pater Sterzinger, erhält Seume Empfehlungen an Männer von Wissenschaft und Humanität in Agrigent, Syrakus, Katanien und Messina.
Ich habe nicht Lust mich jetzt hier länger aufzuhalten, lasse eben meine Stiefeln besohlen und will morgen früh in die Insel hineinstechen.
Seume übersetzt Theokrits Kyklop, und als er die letzten Verse geschrieben hat, bringt man ihm seine Stiefel.