Ich mag die Chemnitz,
weil ich mir immer ein Leben am Fluss vorgestellt habe.
Der Traum ist mir ja erfüllt worden,
weil ich direkt an der Chemnitz wohne.
Ursprünglich hatte ich an die Garonne oder Seine gedacht,
nun ist es die Chemnitz geworden.
Sie ist ein bisschen kleiner,
wenn ich sie verspotte,
entschuldige ich mich bei ihr.
Sie wirkt fröhlich,
kann aber auch zum wütenden,
gewalttätigen Monster mutieren.
Normalerweise ist der Fluss durchsichtig,
steinig, leichtfüßig,
wechselt die Farben wie seine Forellen.
Nachtaktive Fischreiher,
stolze Schwäne und kecke Möwen lieben ihn.
Einmal habe ich einen Eisvogel hier gesichtet.
Ulrike Brummert
Von Chemnitz zum Meer
Wer per Boot von Chemnitz aus zum Meer will, tut sich schwer.
Und wer die Chemnitzquelle sucht, noch schwerer - sie hat keine ...
In Altchemnitz, am Fuß des Pfarrhübels, einem Vorposten des Erzgebirges im Süden der Stadt Chemnitz, beginnt der Fluss,
der der Stadt seinen Namen gibt, im Zusammenfluss von Würschnitz und Zwönitz.
Drei aus dem Sorbischen stammende Worte: Chemnitz/Kamenitza = steiniger Fluss, Würschnitz = Hügelbach
und Zwönitz/Zvonica = klingender Bach.
Die Chemnitz fließt duch breite Talkessel, satte Wiesenauen, enge Durchbrüche, bizarre Felsformationen und gewaltige
Gesteinsüberhänge - in Europa nur noch im Tessin zu sehen. Bergkuppen umkurvt der Fluss, durch Tunnel zwängt er sich,
mit einem Gefälle von 130 m, was nicht einmal die Elbe zwischen Dresden und Hamburg erreicht.
54 Brücken überspannen den 37 km kurzen Flusslauf - nur die Pader ist kürzer (etwa 4 km!), er passiert die Überreste
einer Industrielandschaft, die Sachsen einst Weltruhm einbrachte. Fabrikkomplexe aus der Gründerzeit, ihre Torsi und Ruinen säumen
den Weg durch 17 Dörfer und eine schrumpfende Großstadt, 360.000 Einwohner hatte Chemnitz in seinen besten Zeiten (1930),
2016 sind es nur noch 245.000. DDR-Zweckbauten, marode, stillgelegt, urwaldartig zugewuchert. Die Natur erobert das Tal zurück.
Die Chemnitztalbahn ist verschwunden.
Nach der Industriewüste von Glösa erreicht der Chemnitzlauf dörfliches Milieu. Ab Draisdorf verengt sich das Tal,
vor Reitzenhain umfließt die Chemnitz in Auerswalde einen Bergsporn, von dem aus der Blick über das Tal streifen kann.
Er bleibt hängen an den mehrbogigen historischen Brücken aus Hornblendeschiefer und Stahl. Nach Gransdorf mäandert
die Chemnitz. Hinter Markersdorf hat man noch im vergangenen Jahrhundert Silber geschürft.
Hinter Taura beginnt das wildromantische Schweizerthal.
Von Göritzhain sind es nur noch wenige Kilometer, dann mündet die Chemnitz auf einer Meereshöhe von 168 m üNN
in die Zwickauer Mulde.
In Wechselburg ist die Basilika und die schlichte romanische Kirche einen Besuch wert, der Weg zum
Marktplatz lohnt sich - schon wegen der grandiosen Aussicht über das Chemnitztal.
Und eine Sensation: Im Herbst 2017 geht ein Traum (der Angler) in Erfüllung: Nach mehr als 100 Jahren kehren Lachse
in die Chemnitz zurück und nemen sie wieder als Laichgewässer in Besitz.
Stadtpark
An zwei Teilen des Stadtparks fließt die Chemnitz vorbei.
Der südliche Bereich zeigt sich als großzügig konzipierter Landschaftspark mit weiträumigen Wiesen und dem
Zeitgeschmack der Entstehungszeit (1909) entsprechendem Wegenetz. Gehölzgruppen gliedern die Auenbereiche und
erzeugen eine vielschichtige Tiefenwirkung.
Der grosse Stadtparkteich mit seiner Insel - auf alten Postkarten manchmal "See im Stadtpark" genannt,
ist im Südosten des Stadttteils Helbersdorf ab 1911 durch das Anstauen des Markersdorfers Dorfbachs entstanden.
An seinem Südende steht der "Torell-Stein", auf dem die südlichste Grenze der Elstereiszeit, auch Feuersteinlinie genannt,
dargestellt ist. Otto Martin Torell ist ein schwedischer Geologe.
Otto Werner, * 1854, von 1882 bis zu seinem Tode 1923 oberster Stadtgärtner in Chemnitz, gab einem Teil des Stadtparks seinen Namen.
Sein wesentliches Verdienst ist es, dass Chemnitz zu den grünsten Städten Deutschlands gehört.
Kleiner Stadtparkteich
Steg Rösslerstraße
Innenstadt
Chemnitztalviadukt
Bei der Falkebrücke hat man die Chemnitz aus ihrer unterirdischen Führung wieder befreit, sie fließt unter dem
Pfortensteg, im Volksmund "Seufzerbrücke" hindurch. So sah der Steg vor der Bombardierung der Stadt
einmal aus:
Pfortensteg heute:
Die Chemnitz passiert die in Ausführung und Maßen nach dem Pariser Vorbild gebaute
Makthalle von 1891, fließt weiter unter
Kaßbergauffahrt und
Bierbrücke
Richtung Fabriken.
Wie heißt diese namenlose Brücke vor der Janssenfabrik? Früher ein schöner Fußgängersteg - heute Medienschacht ...
Da ist einmal links die Janssen- und kurz darauf rechts die Haase-Fabrik.
Die Firma Janssen, bedeutende Repräsentantin der Trikotagenindustrie, erreicht mit besonderen Plüschstoffen
Weltbedeutung. Ursprünglich in Berlin gegründet, 1884 nach Chemnitz verlegt, lässt die Firma ein Fabrikgebäude
und später einen Erweiterungsbau errichten, der 1945 allein nach der Bombardierung erhalten bleibt. 1998 entsteht hier die erste
Chemnitzer Loft-Wohnanlage.
Kunstwerk Angler: Von Narren beschmiert und Chaoten demoliert (Angel? Fisch?)
Die Haase-Fabrik, erbaut 1910 als Färberei Theodor Haase, ist Sitz von „Baby Smile“ (250 Mitarbeiter für Klinikfotografie).
2012 beginnt Baby Smile mit dem Umbau, Hochwasser lässt die Fundamente absacken.
Firmensprecher Schwarze: „Wir haben sie erneuert, ein Drittel der Fassade dokumentiert, abgerissen, neu aufgebaut“.
Ein ultramoderner Anbau ergänzt den robusten Industriecharme der alten Färberei. Das Management sitzt
im Wasserturm, die Verwaltung in der sanierter Haase-Villa.
Auf dem Ziegelschornstein haben Höhenkletterer einen Nistplatz für Turmfalken installiert. Dachgarten, After-Work-Lounge und
Basketball-Feld runden das Bild ab.
1931 fischt der Schleusenwärter am Neumühlenwehr vor der Georgstraße einen Jutesack mit einem Leichentorso aus der Chemnitz.
Am Abend öffnet man bei der Brauerei am Friedrichplatz ein herrenloses Paket mit einem Frauenkopf. Fahndungsbilder ergeben
die Identität:
Kellnerin Hilma Hofmann, 27, die in Dirnenkreisen verkehrte und an zahlungskräftigen Kunden Beischlafdiebstahl beging.
Ein Täter wurde nie gefasst.
Die Chemnitz passiert den Phallus erectus Chemnitiensis, das höchste Kunstwerk der Welt, unterquert die A 4 und
verlässt das Stadtgebiet.
Chemnitztalbahn - Ein Mythos stirbt
Wer auf der A 4 von Dresden kommend nach Chemnitz auf die seltsamen Brücken-konstruktionen vor dem Chemitzer Kreuz zufährt,
ahnt meist nicht, dass er das Chemnitztal überquert und dort eine traditionsreiche Bahn fuhr, bei deren Bau
sogar Minister über ihre Ämter stolperten ...
Der Zug der Chemnitztalbahn fuhr von Chemnitz nach Wechselburg und wand sich mit der Chemnitz durchs Tal.
Die Bahnstrecke Chemnitz - Leipzig, sie wird 1872 eröffnet - verläuft fast parallel auf dem Höhenzug. Für die aufstrebenden Orte
ist das nicht optimal. Zu den Bahnhöfen sind es zwar nur eine gute halbe Stunde, aber eine Steigung von mehr als
100 Metern ist zu überwinden. Die Fabrikbesitzer und Müller im Chemnitztal machen sich für eine Talbahn stark,
weil sie wirtschaftliche Nachteile befürchten, wenn sie ihre Waren auf schwer passierbaren Wegen zu den Bahnhöfen
nach Burgstädt oder Mittweida bringen müssten.
Schon bei Einweihung der Chemnitztalstraße von Göritzhain bis Furth im Jahr 1880 wird der Wunsch nach einer Bahnlinie durchs
Chemnitztal laut. Nach vielen Rückschlägen beginnt der Bau 1900.
Damals wie heute übersteigen die Kosten alle Voraussagen bei weitem. Die Chemnitztalbahn wird eine der teuersten sächsischen
Nebenbahnen, fünf Staatsminister reichen ihr Rücktrittsgesuch ein. Kostenfresser sind vor allem Geländeschwierigkeiten,
der Hochwasserschutzs erfordert Damm-bauten, Felssprengungen, Erdeinschnitte und 19 Überbrückungen auf nur 20 km
sowie 2 Tunnel durch massives Gestein.
1902 ist es soweit, die neuerbaute Chemnitztalbahn eröffnet ihren Betrieb.
Der 9.25 Uhr gestartete Festzug mit zwei Dampfrössern und 12 Wagen erreicht 11.04 Uhr Wechselburg. Nach einem Festessen
fahren die Ehrengäste zuück nach Markersdorf-Taura, wo die eigentliche Eröffnungsfeier stattfindet (der wegen des Todes
König Alberts alle Vertreter der königlichen Behörden fernbleiben müssen).
Der Zugebetrieb auf der 27,5 Kilometer langen Strecke beginnt. Täglich verkehren drei Züge in beide Richtungen
mit einer Fahrzeit von fast zwei Stunden. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 16 km/h können die Reisenden zwar die Schönheiten
der Strecke bewundern, eilige Zeitgenossen sprechen schon mal vom „Chemnitztalexpress“.
Auf Wittgensdorf Unterer Bahnhof fand der größte Güterumschlag statt: Die ansässige Diamantschwarzfärberei Louis
Hermsdorf hat in Glanzzeiten bis zu 1.000 Beschäftigte und Gleisanschluss einschließlich Drehscheibe auf dem Firmengelände.
Nach der ersten Tunneldurchfahrt - die Chemnitz macht hier einen weiten Bogen durch das Sumpfgebiet - erreicht der Zug
Auerswalde-Köthensdorf, wo Wanderer den "Schusterstein" erklimmen. Dann säumen steile Felswände die Strecke.
Es folgen König-Albert-Felsen, Schweizerthal (die Chemnitz kämpft sich durch unüberschaubare Mengen von Felsbrocken voran),
ein zweiter 222 m langer Tunnel, Göritzhain, dann ist die Muldentalbahn und Wechselburg erreicht -
etwas weiter hinauf die die
Göhrener Brücke.
Für ihren Bau, begonnen 1869 - die Elbsteine bringen Pferdegespannen von Altmittweida hin -
kommt ein erheblicher Anteil des Materials aus den Steinbrüchen von Markersdorf und Diethensdorf. Deshalb legt man die
Verbindungsstraße von dort nach Göritzhain an, die wirtschaftliche Bedeutung des Tales beginnt zu wachsen,
Industrie entsteht, sie macht sich die Wasserkraft zunutze.
Was wurde nicht alles mit der Chemnitztalbahn transportiert: Kohlen, Baustoffe, Steine, Papier- und Textilwaren,
Produkte aus Industrie und Landwirtschaft, Schotter für den Bahnbau, Sand und Gestein in große Mengen für Chemnitz.
Der Beiname "Sandbahn" ist die Folge.
Im 2. Weltkieg dient der Auerswalder Tunnel als Luftschutzkeller, im Schweizerthal versteckt steht ein Munitionszug,
den die Amerikaner beschießen.
1992 90jähriges Jubiläum: Eine alte Dampflok schnauft durchs Chemnitztal, aber Zugverkehr, Industrie, Fahrgäste erlahmen ...
1998 "Feierobnd", der letzte fahrplanmäßige Zug quietscht durch das Tal.
Eisenbahnfreunde und Enthusiasten bemühen sich um die Wiederbelebung der traditionsreichen Bahnstrecke.
Hat der der Mythos Chemnitztalbahn eine Chance?
2001 gründet sich der Verein „Eisenbahnfreunde Chemnitztal e. V.“, sein Domizil hat er im Bahnhof Markersdorf-Taura, den er zum Museumsbahnhof umgestaltet.
Regelmäßig finden Draisinenfahrten zwischen Markersdorf-Taura und
Schweizerthal-Diethensdorf, dem einzig verbliebenen Reststück der Strecke, statt.
Nach dem Ende der Chemnitztalbahn verschwinden die Schienen, auf der ehemaligen Zugstrecke entsteht ein Rad- und Wanderweg.
Auf der Bornaer Straße grüßt rechts die Kirche Glösas vom Kirchberg, auf der anderen Seite steht das ehemalige Bahnhofsgebäude Glösa.
Nach der Autobahnbrücke beginnt Wittgensdorf, hier die Reste des Unteren Bahnhofs:
Hier fand der größte Güterumschlag statt: Die ansässige Diamantschwarzfärberei Louis Hermsdorf hat in Glanzzeiten
bis zu 1.000 Beschäftigte und sogar einen Gleisanschluss einschließlich Drehscheibe auf dem Firmengelände.
Dann überquert der Weg die Chemnitz.
Jenseits der Brücke verschwinden Zugstrecke und Weg in einem Tunnel.
Die neue Brücke nach Auerswald, sie führt nah am Retaurant " Auerswalder Mühlenkeller" vorbei. In mühseliger Handarbeit schuf der Wirt aus den verfallenen Resten des Kellers einer ehemaligen Mühle eine kleine Bewirtung für Wanderer und Radfahrer.
Die Chemnitz passiert dann die engste Stelle des Chemnitztales mit dem Schusterstein, der in einem Naturschutzgebiet liegt -
Schwerpunkt für Mopsfledermausvorkommen.
Mopsfledermaus
Das Gelände fällt steil zum großen Chemnitzbogen ab. Einst staute sich hier in Richtung Chemnitz
das "Blankenauer Meer" an, ehe die Wasser sich in mühevoller Kleinarbeit durch härtestes Gestein gefressen haben.
Der Weg überquert erneut die Chemnitz: Bahnhof Auerswalde/Köthensdorf an einem kurzes Stück erhaltener Geleise.
Kurz vor Markersdorf wechselt der Weg auf einer schönen alten Steinbrücke zur anderen Flussseite.
Ende der Ausbaustrecke.
Hinter Markersdorf hat man bis ins vergangenen Jahrhundert Silber geschürft. Der Fabrikant Großer lässt die "Kolonie Markersdorf"
bauen, auf kleinen Waldparzellen entstehen für 68 Arbeiterfamilien Häuser im Gartenhausstil mit farbigen Fensterläden und Fachwerkmotiven - bis heute begehrte Wohnungen.
Nach Taura beginnt das Schweizerthal. Im Lauf der Zeit hat die Chemnitz durch die wirbelnde Kraft ihres Wassers, vermischt
mit Sand und mahlendem Gestein, Aushöhlungen und Abrundungen in die Felsen geschmirgelt, als "Riesentöpfe" oder
"Strudellöcher" geologisch einzigartig in Deutschland.
Felsbrocken türmen sich hier seit der Eiszeit grotesk übereinander, über einem steil abfallenden Wand lagert bedrohlich der Hockstein.
Jeder, der unter ihm hindurchläuft, fürchtet im nächsten Moment seinen Absturz.
Höhlenartige Durchgänge, ins Gestein gehauene Treppenstufen führen in ein echtes Gebirge.
Das Schweizerthal ist wildromantisch.
Haltepunkt Stein, dann 222 m langer Tunnel
Göritzhain
und dann sind Zwickauer Mulde und Wechselburg erreicht.
Mündung
Wechselburg
So ähnlich konnte man 1995 in der ZEIT lesen:
"1736 fischt Müllerbursche Johannes Mehlhorn aus Chemnitz am Niklaswehr 475 perlentragende Muscheln aus dem Fluß.
Ordnungsgemäß meldet er den Fund, denn eigenmächtiges Öffnen der Muscheln ist bei Strafe verboten. Der Kurfürstliche
Hof zu Dresden schnappte sich die Beute - der Finder geht leer aus. 20 Jahre später stirbt Mehlhorn in seiner Gefängniszelle,
in der er wegen veruntreuter Perlenfunde lange eingesessen hat.
Perlen sind aus der Chemnitz schon lange nicht mehr zu holen. Dafür gibt es landschaftliche Raritäten entlang des
Flusslaufs, die Radfahrer und Wanderer an einem einzigen Tag erkunden können. Breite Talkessel, satte Wiesenauen,
enge Durchbrüche durch den Granitstock des Vorerzgebirges, bizarre Felsformationen und gewaltige Gesteinsüberhänge.
Dem Blick öffnet sich ein botanischer Gemischtwarenladen mit Wiesen, Obstbäumen und wildem Gesträuch, mit Astern,
die aus Gärten leuchten, und schwermütig nickenden vertrockneten Sonnenblumen.
Die Wanderung ist auch eine Exkursion durch die Verkehrsgeschichte des 20. Jahrhundert - allein 54 Brückenbauwerke
überspannen den kurzen Flußlauf, die Chemnitztalbahn ratterte auf über neunzig Jahre alten Gleisen Berge hinauf und hinunter,
und die Straßen winden sich durch eine streckenweise beängstigende Gesteinskulisse. Fabrikkomplexe aus der Gründerzeit,
ihre Torsi und Ruinen säumen den Weg durch siebzehn Dörfer und eine Großstadt. DDR-Zweckbauten füllen häufig noch das Blickfeld.
Sie sind heute großenteils marode, stillgelegt, hier und da urwaldartig zugewuchert. Das ist die Stunde der Natur.
Von Anfang an strudelt die Chemnitz als flacher, aber überraschend breitbettiger Fluß dahin.
Der Fluss durchströmt Altchemnitz, die Keimzelle der heutigen Stadt. Der sumpfige Boden war für Landwirtschaft ungeeignet,
so entstehen am Uferrand Spinnereien und Papiermühlen, im 20. Jahrhundert kommen Fabriken der Textilindustrie und des
Maschinenbaus hinzu. Im gesamten Chemnitztal sind diese monumentalen Denkmäler der Industriegeschichte anzutreffen.
Altchemnitz hat den Doppelcharakter konserviert: Schiefe Fachwerkhäuser erinnern an die dörfliche Vergangenheit,
emporgestemmte Fabrikbauten dokumentieren, wie hier eine ungeduldige wirtschaftliche Entwicklung ihre Schubkräfte ansetzte.
Danach wird es mitten in der Stadt grün: Der 1886 planmäßig angelegte Stadtpark im englischen Stil, für den ein Großindustrieller
Grund und Boden kostenlos zur Verfügung stellte, ist fast sechs Kilometer lang und dehnt sich über 68 Hektar.
Schnurgerade ist der Flusslauf, im Zuge der Parkgestaltung wird sein Bett verlegt. In der anschließenden Aue ging der
Fluss "verloren": Die Chemnitz wird unter Falkestraße und Falkeplatz unterirdisch geführt.
An der Falkebrücke sind die kräuselnden Wellen wieder zu sehen, unterhalb des Kaßbergs, dem einstigen Nobelviertel von Chemnitz.
Der Schriftsteller Stephan Hermlin ist hier aufgewachsen. Seine Kollegen Stefan Heym und Rolf Schneider haben zwischen
den Villen ihre Jugend verbracht.
Ausgerechnet zwischen dem ramponierten Kaßberg und der dräuenden Betonwucht ist die Chemnitz am romantischsten.
Die angloamerikanischen Bombenfrachten, die im März 1945 das Chemnitzer Stadtzentrum auslöschen, haben den
beschaulichen Flecken an seinem Rand verschont.
Die alte Bierbrücke gleich neben der Kaßbergauffahrt stammt von 1869. Unter ihren steinernen Bögen und Balustraden lagen
einst Bierfässer in gleichbleibend niedrig temperierten Katakomben. Die Chemnitzer schaffen 1891 eine Weltstadtimitation:
Die Markthalle auf der anderen Flussseite lehnt sich ganz an das berühmte Pariser Vorbild an.
Von der Maschinenbaufabrik Richard Hartmann, schon 1910 ein Betrieb von der Größe eines DDR-Kombinats:
5600 Beschäftigte, die unter anderem Lokomotiven herstellten, ist nur noch ein markanter Rest der ehemaligen Fabrik,
Chemnitzer haben keine guten Erinnerungen an das Gebäude, in dem auch die Stasi verhörte.
In Wittgensdorf, das am meisten industrialisierte Chemnitzdorf, erfand Louis Hermsdorf 1892 das Diamantschwarz, mit dem
die sächsische Strumpfindustrie den Weltmarkt erobert. Den Großteil der Strümpfe stellen Frauen in Heimarbeit her.
Im Hochsommer fließt die Chemnitz manchmal nur in Rinnsalen durch ihr Bett.
Unseren Altvorderen war das Schweizerthal unheimlich, sie betrachteten es mythologisch, entdeckten Fußabdrücke
von Riesen in Felslöchern und erzählten Sagen von einem Nixenschloß. Heute hat das Schweizerzthal wieder etwas Gespenstisches:
Aus den Fenstern kaputter Industrieanlagen wachsen Birken, an Gleisanlagen, auf denen keine Güter mehr fahren,
bilden sich urwüchsige Biotope, manche Wohnhäuser sind verwaist, die Straßen voller Löcher.
Diethensdorf, Mohsdorf, Göritzhain. Auf den letzten Kilometern wird der Chemnitz hart zugesetzt.
Ein Steinbruch hat in hundert Jahren riesige Mengen Gestein zertrümmert und Schotterhalden aufgeschichtet.
Die staubende, lärmende Anlage zur Gesteinszerkleinerung hüllt die Landschaft in feine Staubschwaden, bedeckt den
Wald mit einer schmutziggrauen Schicht."
Weiter
Nachdem die Zwickauer Mulde vor Wechselburg mit der Chemnitz ihren bei weitem größten Nebenfluss aufgenommen hat,
vereinigt sie sich in Colditz mit der Freiberger Mulde zur Mulde.
Die Mulde mündet bei Dessau in die Elbe.
Wir besteigen beim dortigen
Yachtclub unsere Segelyacht, sailen die Elbe 141 sm hinab bis Hamburg, das wir in 2 Tagen erreichen
und in