Triesdorf
Mätressenschlösser der Markgrafen

Meiner vormaligen Hausnachbarin Arbeitsstätte ist das Weiße Schloss in Triesdorf. Merklich gestaltete Landschaft umgibt den Ort. Seltsam muten zwischen den Stallungen und Schulen, wo ein anderer Bekannter Chemie unterrichtet, zwischen den Alleen, den Teichen, Jagd- und Lustschlössern samt Kavaliers- und Hofgärtnerhäusern, Barockanlagen und Marställen die Ungetüme von Maschinen an, die dem Menschen helfen, seinen von Gott verfluchten Acker zu bestellen, auf dass er ja nicht esse sein Brot im Schweiße seines Angesichts.



Wo heute der Nachwuchs aus ganz Bayern Landwirtschaft lernt, das ist die Residenz des letzten Markgrafen. Er verzichtet auf alle Titel und verschleudert das Fürstentum gegen eine Leibrente an die Berliner Verwandtschaft. Einige Jahre nach dem Tod seiner Mutter, der Schwester des Preußenkönigs Friedrich, den man den Großen nennt, weht nun dessen schwarzer Adler vom Ansbacher Schlossdach.

Markgraf Alexander trennt sich von den fränkischen Untertanen, die er zu Tausenden nach Übersee vermietet und zu Hunderten opfert im Kolonialkrieg Englands für Subsidiengelder, Grundstock seiner Hochfürstlich-Brandenburg-Anspach-Bayreuthischen Hofbanco , die heute als italienische Hypobank so manchem Krautbauern aufhilft mit Kredit zum Ferienwohnungsbau für Touristen aus Schwaben und anderen, oft neuen Bundesländern. Zur Belohnung ihrer Tapferkeit und ihres mehr als 500fachen Sterbens lässt der Markgraf Fässer mit Sauerkraut aus hiesiger Gegend nach Amerika sailen. Davon sind die englischen Kameraden so angeekelt, dass den Deutschen der Schimpfname kraut bleibt. Vielleicht und nicht mit Unrecht wird dieser Traktat getadelt, allein damals sieht man den Aufstand der Kolonien als einen schnöden Undank gegen den Mutterstaat an, als eine Empörung gegen eine rechtmäßige Regierung, deren Gelingen keiner Regierung gleichgültig sein sollte meint ein adliger Zeitgenosse.



Der nun Markgrave heißt, kauft später in Speen bei Newbury/Berkshire vom ältesten Sohn erster Ehe seiner ehemaligen Mätresse und nunmehrigen Frau Eliza, dem Viscount Uffington and Earl of Craven, das Schloß Benham-Valence, wo er 1806 stirbt, nur wenige Tage, nachdem der kleine Korse sein Fürstentum an Bayern verschoben hat (weil eine reizende bayerische Prinzessin zur genau selben Zeit den Adoptivsohn Napoleons heiraten muss, was ihrem Vater den Königstitel und fränkisches Land einbringt). Begraben ist der "Margrave of Brandenbourg, Anspach and Bareit" in der St. Mary's-Church von Speen.



Der 1736 als zweiter Sohn des Wilden Markgrafen und größten Falconiers seiner Zeit geborene Alexander ist nach dem Tod seines älteren Bruders (an dem man der Mutter die Schuld gibt und sie darob von Stund an nach Unterschwaningen verbannt) zum Erbprinzen aufgerückt. 1754 heiratet er Caroline Friederike von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Die Prinzessin, schreibt ein Biograph, sei zwar von tugendhaften, sanften, wohltätigen und frommen Charakter, aber sie war zu wenig lebhaft, um der gesellschaftlichen Unterhaltung ihres Gemahls den Reiz zu geben, der ihn in die Länge hätte fesseln können. Die Ehe war kinderlos und um so lockerer ward das Band, das sie zusammenhielt. Meist hält Alexander sich in Triesdorf auf, wo er das



Weiße Schloss für Hippolyte Clairon, das Rote Schloss als sein Wohnhaus, die Kurzsche Villa (oder auch Villa Sandrina oder Hotel d'Alexandre) für Madame Kurz und die Villa Rotunda für Elizabeth Craven um- oder neu bauen läßt sowie umfangreiche Wasserröhrensysteme mit zahlreichen Brunnenhäusern und mehrere Wildparks einrichtet. Eine Porzellanfabrik gründet er auch, baut Häfen wie Marktsteft am Main und läßt Merinos und Roussilionische Widder und Schafe aus Spanien holen, die in eigene herrschaftliche Zuchtschäfereien verteilt, sich von da aus in das Land verbreiteten und die Verfeinerung der inländischen Wolle bewürkten.



Mit einer schlanken, wohlproportionierten Gestalt, mit einer einnehmenden, freundlichen, und man darf sagen schönen Gesichtsbildung ausgestattet, wuchs der junge Herr heran. Seine Haltung war edel, in allen Leibesübungen, besonders im Reiten und Tanzen übertraf er alle seine Gespielen; nebst seiner lange vernachlässigten und nach dem damaligen Geist verachteten Muttersprache, die sich nun erst zu heben begann, sprach und schrieb er französisch, englisch und italienisch mit großer Fertigkeit und las die besten Schriftsteller mit Vergnügen und nicht ohne Nutzen; er liebte Künste und Wissenschaften, sein Geschmack war durch seine vielen Reisen ausgebildet; (noch in älteren Jahren bemühte er sich Latein zu lernen. Sehr irrig ist es, wenn man glaubt, er habe erst durch den Papst Ganganelli erfahren, daß der schöne Geist und liebliche Dichter Uz in seinen Mauern lebe) schreibt 1820 ein Freiherr.

Lady Craven hat die französische Schauspielerin und Freundin nicht nur Voltaires, Madame Hippolyte Clairon, Mätresse des Markgrafen, in dieser Rolle abgelöst. Mit dem Wechsel der Mätressen wandelt sich der höfische Geschmack in den vollkommen überschuldeten Fürstentümern Ansbach und Bayreuth - letzteres ist Alexander mangels fehlender männlicher Erben der dortigen Regenten zugefallen. Man geht vom französischen zum anglikanischen Vorbild über und gibt eine englischsprachige Zeitschrift zur Vermittlung dieser Sprache heraus. Lady Craven schreibt kleine Theaterstücke fürs Hoftheater und übersetzt sie für ihren Favoriten ins Französische, von denen eines den vielsagenden Titel She would and She would not trägt.

Lady Eliza ist eine hochgebildete, weitgereiste Frau, die die Grotte auf Antiparos besucht und A journey through the crimea to Constantinople veröffentlicht hat. 1779 sind ihre Modern Anecdotes of the Family of Kinvervankotsprakengatchdern, a Tale for Christmas, eine Kariktur auf das deutsche Wesen erschienen.



Elizabeth ist 1750 als jüngste Tochter des 4. Earls von Berkeley, Augustus, geboren und heiratet 1767 William Craven, 6. Lord von Hamstead Marshall. Kurz danach hat sie eine Affäre mit dem französischen Gesandten Herzog von Guines, die ihr Mann ihr verzeiht. Sie schenkt ihm 6 Kinder. 1780 aber trennt man sich und Eliza verreist nach Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Russland, der Türkei und Griechenland.
Als ihr Mann und Alexanders Frau jeweils 1791 sterben, heiraten beide sogleich und gehen nach England, wo Alexander Pferde züchtet und die Margravin für ihr Londoner Privattheater Brandenburg House Stücke schreibt, komponiert und inszeniert. Zitat aus den Memoiren von 1826: My taste for music and poetry and my style of imagination in writing, chastened by experience, were great sources of delight to me. . . Our expenses were enormous. Eliza stirbt hochbetagt als bankrotte Prinzessin von Böhmen in Neapel, die Memoirs of the Margravine of Anspach hat sie kurz zuvor veröffentlicht.

Von Ostende übrigens schickt Alexander seinen Stallmeister zurück nach Triesdorf, offiziell, um dort die Pferde zu holen. Der Mann aber nimmt das Bargeld aus dem fürstlichen Schatullvorrat und überweist 230.000 Gulden vom Ansbacher auf ein Ostender Konto.



Lange vor dem Ausbruch der Französischen Revolution schreibt der Freiherr, hatte der Markgraf die fixe Idee aufgenommen, dass die Verfassung des Deutschen Reichs ihrer Auflösung nahe sei. Vergebens suchten seine vertrauten Umgebungen diesen Gedanken durch die Bemerkung zu zerstreuen, daß denen mächtigen Nachbarn, besonders Frankreich, die Erhaltung des gotischen Gebäudes aus politischen Gründen nicht gleichgültig sein könne, daß eine Teilung Deutschlands nicht so leicht wie die Polnische auszuführen sein werde; nichts konnte diese immer wiederkehrende Idee aus seinem Sinne bringen und wem hätte es zu jener Zeit einfallen können, daß ein seltner Mann von geringer Herkunft, aber von ausgezeichneten Gaben, von einem das Unmögliche erstrebenden Unternehmungsgeist und angestrengter unermüdlicher Tätigkeit zu jener schwindelnden Höhe sich aufschwingen, Europa erschüttern, und die Verfassung des tausendjährigen Reichs mit einem Federstrich vernichten würde, und gleichwohl bewürkte Napoleon diese Umwälzung.



Zum Zeitpunkt des Todes von Eliza und Alexander übrigens sind von den offiziellen Gebäuden des Fürstentums Ansbach-Bayreuth die preußische Embleme schon wieder verschwunden. An ihrer Stelle prangt das bayerische Wappen. Und mein Vorfahr Hohmann, Lehrer an der Lateinschule in Merkendorf, vermerkt im Tagebuch, er fahre gerne nach Triesdorf zum dortigen Musikkreis. Das aber ist ein anderes Fundstück...